"Diplomacy is back!", lautete das zumindest offizielle Motto, unter der die Biden-Administration ans Werk zu gehen vorgegeben hatte. Kaum einen Monat im Amt, hatte Washington in einem "Vergeltungsakt" für den Tod eines philippinischen Mitarbeiters des US-Militärs und die Verwundung von fünf US-Soldaten nach einem Raketenangriff "iranischer Milizen" Raketen auf Syrien regnen lassen. Etwa 22 Menschen waren gestorben.
Am Mittwoch stimmte Biden dann in einem Interview mit dem Nachrichtensender ABC der Bezeichnung des russischen Präsidenten Wladimir Putin als "Mörder" zu.
Dass die USA laut Biden zudem eine harte Reaktion vorbereiteten, da Moskau versucht habe, zugunsten seines Gegners Donald Trump in die US-Präsidentschaftswahlen einzugreifen, versteht sich mittlerweile von selbst. In Bezug auf Putin sagte Biden:
"Er wird einen Preis zahlen."
Bereits am letzten Mittwoch wurden dann die ebenfalls nunmehr obligatorischen neuen Sanktionen gegen die Russische Föderation verkündet. Moskau habe im Fall der mutmaßlichen Nowitschok-Vergiftung des Politbloggers Alexei Nawalny "Chemiewaffen gegen Dissidenten" eingesetzt, wusste man zu berichten.
Ganz anders die Tonlage und der Einsatz für den transatlantischen Wertekanon, wenn es um "Verbündete" und "Partner" geht. Aktuellstes Beispiel: das absolutistische Königreich am Persischen Golf Saudi-Arabien.
Am 26. Februar waren es die US-Geheimdienste selbst, die keinen Zweifel mehr ließen: In einem Bericht wurde dargelegt, dass es in der Tat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman gewesen sei, der die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi autorisiert hatte.
Der Mord sorgte auch aufgrund seiner Grausamkeit für weltweite Schlagzeilen, nachdem sich herausgestellt hatte, das Khashoggi nach seiner Ermordung am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul zerstückelt worden war. Khashoggis Überreste wurden nie gefunden. Im Bericht heißt es:
"Unserer Einschätzung zufolge genehmigte Kronprinz Mohammed bin Salman einen Einsatz in Istanbul, Türkei, um den saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi zu ergreifen oder zu töten."
Wie Biden jedoch ebenfalls am Mittwoch beim US-Sender ABC verkündete, sei die Drahtzieherschaft bin Salmans alles andere als ein Grund für irgendeine Art von Reaktion der US-Administration. Riad sei Teil der "Allianz", so Biden.
"Wir haben alle Leute in dieser Organisation zur Rechenschaft gezogen – aber nicht den Kronprinzen, denn wir sind, soweit ich weiß, noch nie, wenn wir eine Allianz mit einem Land haben, zum amtierenden Staatsoberhaupt gegangen und haben diese Person bestraft und geächtet."
Dafür, erklärte Biden wiederum, habe er dem Kronprinzen "klargemacht", "dass sich die Dinge ändern werden".
Ein Wahlkampfversprechen Bidens lautete, Saudi-Arabien aufgrund des Khashoggi-Mordes und anderer menschenrechtlicher Missstände zu einem "Paria" zu machen. Das saudische Regime werden "den Preis zahlen".
Wie die New York Times berichtet, herrschte im Weißen Haus nach der Wahl jedoch recht bald Konsens darüber, dass die Kosten eines Bruchs mit bin Salman angesichts der Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien im "Kampf gegen den Terrorismus" und angesichts der "Konfrontation mit Iran einfach zu hoch seien". Bei Saudi-Arabien handele es sich um einen "strategischen Verbündeten".
Seit der spektakulären Ermordung Khashoggis wurden bislang lediglich Sanktionen gegen eine saudische Eliteeinheit verhängt, die in den Mord verwickelt gewesen sein soll. Keinerlei Rolle scheint in den US-Beziehungen zu Saudi-Arabien derweil der Krieg im Jemen zu spielen. Im März 2015 eskalierte die saudische Regierung den Konflikt durch eine militärische Intervention – auch mit Unterstützung aus Staaten der transatlantischen Gemeinschaft. Immer wieder wird der Krieg als größte humanitäre Katastrophe der Neuzeit beschrieben.
Im Interview am Mittwoch erklärte Biden zum Thema Jemen, er sei "die Liste der Dinge durchgegangen, die wir von den Saudis erwarten". Dazu gehöre, sowohl "den Krieg" als auch "die Hungersnot" vor Ort zu beenden. Von Sanktionen war nicht die Rede.
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