Hinter den Kulissen von Amnesty International: Nawalny als "gewaltloser politischer Gefangener"

Der ohnehin angeschlagene Ruf von Amnesty International wurde mit der Aberkennung von Nawalnys Status als "gewaltloser politischer Gefangener" erneut aufs Spiel gesetzt. Ein ehemaliger Mitarbeiter vermittelt RT einen Einblick hinter die Kulissen der Organisation.

Alexander Sotow hat mehr als sechs Jahre für Amnesty International gearbeitet. In der Position eines Web-Administrators lernte er kennen, wie die Informationslogistik des Unternehmens gestaltet ist und machte sich mit den Aktivitäten der NGO vertraut. Im Jahr 2019 verließ Sotow Amnesty International im Rahmen eines großen Skandals. Die Medien verbreiteten daraufhin ein mit seinem Namen in Verbindung gebrachtes Schreiben mit Vorwürfen, wonach in der Organisation Kritik an Vorgesetzten und die eigene Meinung der Untergebenen nicht geduldet werden.

Trotz der konfliktreichen Trennung bleibt Sotow nach eigenen Angaben über die Vorgänge in dem Unternehmen auf dem Laufenden. Im Gespräch mit RT vermittelte er seine Sicht auf die Situation um Alexei Nawalny und schnitt jene Probleme an, mit denen die weltbekannte Organisation seiner Meinung nach heute konfrontiert ist. 

Alexander, wie konnte das passieren: Amnesty International widerspricht im Fall von Alexei Nawalny und seinem Status eines "gewaltlosen politischen Gefangenen" sich selbst. Warum wurde die Entscheidung rückgängig gemacht?

Das Geschehene ist ein weiterer Beweis für eine tiefe Krise im Management der Organisation unter anderem in Bezug auf deren Ideologie. Alle, die sich in dieser Organisation mit Russland beschäftigen, wollten Alexei Nawalny den Status eines "gewaltlosen politischen Gefangenen" gewähren.

Was meinen Sie mit "wollten"? War es Ihrer Meinung nach lediglich ein subjektiver Wunsch einer bestimmten Gruppe von Menschen?

Nach dem Jahr 2014 funktionierte das Management der Organisation so, dass es darin keine interne Opposition mehr gab. Dort wurde alles so gesäubert, dass nur Leute übrig geblieben sind, die darum wetteiferten, die Wünsche ihrer eigenen Kuratoren in London [wo sich der Hauptsitz des internationalen Sekretariats von Amnesty International befindet – Anmerkung der Redaktion] zu erraten und jene Standpunkte zu vertreten, die diese mit ihren Unterschriften absegnen würden.   

Können Sie sich auch an andere Beispiele für die Voreingenommenheit von Amnesty International erinnern?

Die Moskauer Vertretung ist zum Beispiel mit Leuten besetzt, die mit Straßenaktionen in Russland in Verbindung stehen. Eine Qualifikationsanforderung [für Bewerber auf eine Stelle – Anmerkung der Redaktion] ist, dass die Person dieser oder jener politischen Bewegung auf dem Territorium Russlands angehört. So ist beispielsweise der Medienmanager Alexander Artemjew ein ehemaliger politischer Aktivist, der sehr enge Verbindungen zu Nawalny hat. Auch der Russlandforscher Oleg Koslowski ist ein gescheiterter Politiker. Das sind Leute, die politische Ambitionen hatten, und ihre Kuratoren haben ihnen einen solchen Job angeboten.

"Sie sind bereit, bestimmte Funktionen auszuüben. Ausgesprochen russophobes Personal, und es führt allzu gern die Anweisungen aus, die ihm vom Internationalen Sekretariat in London diktiert werden."

Also wurde Nawalny als "gewaltloser politischer Gefangener" anerkannt. Die Sache scheint beschlossen. Warum kommt die Organisation einen Monat später noch einmal auf diese Frage zurück? 

Es kamen Anfragen von Privatpersonen. Sie baten darum, zu bestätigen, ob Nawalny im Hinblick auf seine rassistischen und einwanderungsfeindlichen Äußerungen tatsächlich ein "gewaltloser politischer Gefangener" ist.

Das Internationale Sekretariat hielt das alles für Unsinn und beschloss, es zu ignorieren. Aber dann erreichten die Anfragen Amnesty UK, die britische Sektion von Amnesty International. Und sie waren in Übereinstimmung mit internen Dokumenten und laut den geltenden Vorschriften gezwungen zu sagen, dass eine solche Person [Alexei Nawalny – Anmerkung der Redaktion] aufgrund ihrer Aussagen kein "gewaltloser politischer Gefangener" sein darf.

Warum hat sich die britische Sektion von Amnesty International gegen das Internationale Sekretariat gestellt?

Die Sektionen empfinden das Sekretariat oft als eine parasitäre Struktur, die versucht, ihren Willen aufzuzwingen. Die Sektionen stehen den Interessen der Menschen, die sie beschützen sollen, wirklich näher. Andernfalls wären sie nicht in der Lage, Spenden zu sammeln.

Das Sekretariat von Amnesty International kündigte an, man werde Alexei Nawalny auch nach der Aberkennung des Status eines "gewaltlosen politischen Gefangenen" weiterhin unterstützen. Ist es zu erwarten, dass die Vertreter der Organisation Nawalny in der Strafkolonie besuchen, in der er seine Haft verbringt? Bringen sie ihm vielleicht Lebensmittel oder Hygieneartikel mit?

Mir sind keine solchen Fälle bekannt. Sie sind nicht an dem Thema Gefängnis interessiert.