Seit der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in der Fachzeitschrift The Lancet am 2. Februar wird der russische Corona-Impfstoff in Medien und Politik in der EU wohlwollend behandelt. Eine Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) wird diskutiert.
RT sprach mit Zdenek Hel von der Abteilung für Mikrobiologie der University of Alabama at Birmingham über den russischen Impfstoff Sputnik V und die Dringlichkeit von dessen Zulassung in der EU. Hel macht deutlich:
"Jedes europäische Land hat die Autorität, selbst zu entscheiden, ob und wann es einen spezifischen Impfstoff zulässt."
Für Hel sollten immer die Sicherheit und die Effektivität eines Impfstoffes im Vordergrund stehen – und nicht politische Vorbehalte. "Unglücklicherweise" sei das Thema Sputnik V genau zu einem solchen "politischen Thema" gemacht worden. Das Problem dahinter sieht Hel in der grundsätzlichen gesellschaftlichen Ausrichtung. Er empfiehlt mehr Kooperation im Austausch von Wissen und auch von Impfstoffen, "um eine Pandemie zu bekämpfen, die uns alle betrifft".
Man solle nicht einfach einen Impfstoff ablehnen, nur weil er aus China oder Russland komme. Für die EU müsse gelten: Wenn der Impfstoff die Kriterien der EMA erfüllt – insbesondere den Standard der "Guten Herstellungspraxis" –, müsse man ihn zulassen. Entscheidend sei einzig die Frage: Ist der Impfstoff sicher und effektiv?
Der Impfstoff Sputnik V sieht für Hel "richtig gut" aus. Die neuesten Forschungsergebnisse bestätigen eine Effizienz von fast 92 Prozent. Zudem basiere der russische Impfstoff auf einer Kombination von zwei lebendigen Adenoviren und ermögliche damit dem Immunsystem, die Struktur des Coronavirus "im realen Kontext" zu erkennen.
"Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus hat Sputnik V eine Qualität, die ihn sehr effektiv machen könnte."
Allerdings hätten solche Lebendimpstoffe – Impfstoffe mit abgeschwächten Viren – auch gewisse Nachteile. Zum Beispiel bestehe die Gefahr einer Kontamination der verwendeten Viren. Daher müsse "die Herstellung sehr sorgfältig überwacht werden, um sicherzustellen, dass jede Charge des Impfstoffs sicher und effektiv" sei.
Für Hel stellt sich die Frage, warum der Zulassungsprozess für Sputnik V in der EU nicht längst schon gestartet wurde. In der aktuellen Situation müsste die EU die Zulassung so zügig wie möglich voranbringen, denn "dieser Impfstoff könnte hocheffektiv sein".
Als wichtigstes Kriterium empfiehlt der Mikrobiologe, den Impfstoff an der Bevölkerungsgruppe zu testen, auf die er angewandt werden soll. Dabei seien spezifische Aspekte zu betrachten, zum Beispiel die "genetische Spezifikationen der Bevölkerung" sowie die jeweiligen makro- und mikrobiologischen Umweltbedingungen einer Region.
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