Unter den Opfern von Menschenhandel sind nach UN-Angaben immer öfter Kinder und Jugendliche. Deren Anteil hat sich in den vergangenen 15 Jahren verdreifacht: 2018 machten Kinder ein Drittel aller Opfer von Menschenhandel aus, 2004 waren es nur 13 Prozent. Nach wie vor sind es größtenteils Frauen und Mädchen, die von Menschenhändlern verschleppt werden. Das geht aus einem am 2. Februar vom UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) in Wien veröffentlichten Bericht hervor:
"2018 waren von zehn weltweit ermittelten Opfern des Menschenhandels fünf erwachsene Frauen und zwei Mädchen".
Das UN-Büro warnt: Angesichts der Wirtschaftskrise infolge von COVID-19-Pandemie und Lockdowns drohe eine weitere Verschärfung der Entwicklung. UNODC-Generaldirektorin Ghada Waly macht deutlich:
"Millionen Frauen, Kinder und Männer weltweit sind arbeitslos, können nicht zur Schule und sind ohne soziale Unterstützung in der COVID-19-Krise. Das bringt ihnen ein erhöhtes Risiko ein, Opfer von Menschenhandel zu werden."
2018 wurden weltweit etwa 50.000 Opfer von Menschenhandel gezählt. Das UNODC warnt jedoch, dies sei nur die Spitze des Eisbergs, denn eine hohe Dunkelziffer sei mit Sicherheit anzunehmen. Nach Regionen aufgeteilt, ergibt sich folgende Auflistung der Opferzahlen von Menschenhandel:
- West- und Südeuropa: 11.839 Personen
- Osteuropa und Balkan: 1.732 Personen
- Zentralasien: 1.576 Personen
- Südasien: 7.644 Personen
- Ostasien und Pazifik: 5.969 Personen
- Nordafrika und Naher Osten: 1.887 Personen
- Sub-Sahara-Afrika: 4.799 Personen
- Nordamerika: 9.301 Personen
- Zentral- und Südamerika: 3.928 Personen
Aufschlussreich ist dabei auch, dass der Anteil von Frauen und Mädchen in den verschiedenen Regionen unterschiedlich hoch ist. In Nordamerika liegt er mit 83,7 Prozent am höchsten, gefolgt von Zentral- und Südamerika mit 74 Prozent. Am niedrigsten ist der Wert in West- und Südeuropa (51,4 Prozent) und Nordafrika/Naher Osten (42,8 Prozent).
Hintergrund dessen ist die unterschiedliche "Verwendung" der Opfer. Während Menschenhändler Mädchen und Frauen oft in die Prostitution zwingen, werden Jungen und Männer zur Zwangsarbeit genötigt. Die Opfer werden laut UNODC häufig in der Landwirtschaft, am Bau, in der Fischerei, im Bergbau und in Haushalten eingesetzt. Außerdem werden die Opfer von Menschenhändlern zum Betteln eingesetzt, sie werden unter Zwang verheiratet oder es werden ihnen Organe entnommen.
Die UNODC schätzt die Ausbeutungsformen der Opfer in ihrer Studie folgendermaßen ein:
- Frauen: 77 % sexuelle Ausbeutung, 14 % Zwangsarbeit, 9 % andere Ausbeutungsformen
- Männer: 17 % sexuelle Ausbeutung, 67 % Zwangsarbeit, 15 % andere Ausbeutungsformen, 1% Organentnahme
- Mädchen: 72 % sexuelle Ausbeutung, 21 % Zwangsarbeit, 7 % andere Ausbeutungsformen
- Jungen: 23 % sexuelle Ausbeutung, 66 % Zwangsarbeit, 11 % andere Ausbeutungsformen
In Nordamerika, Zentral- und Südamerika sowie in Osteuropa und Ostasien überwiegt der Anteil von Menschenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung. In Zentral- und Südasien, aber vor allem in der Sub-Sahara von Afrika überwiegt hingegen der Menschenhandel für die Zwangsarbeit.
Ihre Opfer suchen die Menschenhändler laut der Studie meist unter Flüchtlingen, Migranten oder Menschen ohne Job. Die Betroffenen würden manchmal nur für wenige Dollar, in anderen Fällen für mehrere zehntausend Dollar verkauft. Um Opfer zu finden, setzten die Täter – meist Mitglieder von Banden der Organisierten Kriminalität – in den entwickelten Ländern häufig auf Soziale Medien. Darüber "jagen" sie ihre Opfer und verfolgen deren Profile. Über den Arbeitsmarkt bieten sie zum Schein Jobs an und warteten auf Interessenten.
"Das Internet ermöglicht es Menschenhändlern, die Ausbeutung ihrer Opfer per Livestream zu übertragen. Damit kann der Missbrauch eines Opfers simultan von zahlreichen Konsumenten rund um den Globus übertragen werden."
Auf der Basis von Daten aus 148 Ländern konnte die UNODC 534 verschiedene Routen des Menschenhandels identifiziert. Allerdings würden die meisten Opfer nur in einem sehr umgrenzten Bereich transportiert. Ein typischer Fall sei, wenn ein Mädchen aus einem Vorort in nahen Bars und Motels der Stadt ausgebeutet werde.
Als aktuellste Befunde liegen die Daten bis 2018 vor. 2020 mehrten sich die Berichte über verschwundene Personen – zum Beispiel in Lateinamerika – und Meldungen von häuslicher und sexualisierter Gewalt. Die Auswirkungen des Lockdowns in vielen Ländern können bislang noch nicht verlässlich abgeschätzt werden. UNODC-Generaldirektorin Waly mahnt aber eindringlich:
"Wir brauchen gezielte Maßnahmen, um Menschenhändler daran zu hindern, aus der Pandemie Vorteile zu ziehen und die Verwundbaren auszubeuten."
Mehr zum Thema - Corona-Krise: UNICEF warnt vor "verlorener Generation"