Im Kampf gegen die Corona-Gesundheitskrise setzen viele Länder auf Lockdowns, bei denen das öffentliche Leben durch staatliche Maßnahmen weitestgehend lahmgelegt wird. Die Maßnahmen und Methoden sind in vielen Ländern ähnlich: Kontaktbeschränkungen, Ausgangsperren, Maskenpflicht und auch Quarantäne für die Bevölkerung. Doch in vielen Ländern steigen die mutmaßlichen "Infektionszahlen" trotzdem. Eine Erklärung dafür könnte ein Versuch des US-Militärs liefern, der in einer Studie des New England Journal of Medicine dokumentiert wurde.
An dem Versuch, der im Campus des Marine Corps Recruit Depot Parris Island in Beaufort, South Carolina stattfand, nahmen insgesamt 3.143 Rekruten der US-Marines teil. Von diesen stimmten 1.848 Rekruten zu, an einer Studie zur Übertragung von SARS-CoV-2 teilzunehmen. Die restlichen Personen dienten als Kontrollgruppe. Vor ihrer Ankunft ließen sich alle Teilnehmer außerdem für einen Zeitraum von 14 Tagen zu Hause isolieren. Bevor sie an der "Test-Quarantäne" teilnehmen konnten, mussten alle Teilnehmer einen negativen PCR-Test vorweisen.
Während des Quarantäneversuchs vom 12. Mai bis zum 15. Juli 2020 wurden viele der Maßnahmen durchgesetzt, die auch in den meisten Ländern während des Lockdowns zum Tragen kommen:
"Alle Rekruten trugen drinnen und draußen jederzeit doppellagige Stoffmasken, die sie nur beim Schlafen oder beim Essen abnehmen durften. Sie mussten außerdem einen Abstand von mindestens einem Meter zu anderen Personen einhalten."
Sie durften außerdem den Campus nicht verlassen und hatten keinen Zugang zu persönlichen elektronischen Geräten und anderen Gegenständen, die einer Übertragung über die Oberfläche beitragen könnten. Weiterhin wuschen sie sich regelmäßig die Hände. Dasselbe galt für die Ausbilder. Den Probanden war auch untersagt, mit dem Küchenpersonal oder dem Hausmeister zu interagieren.
Die Teilnehmer schliefen jedoch in Doppelzimmern mit Waschbecken und nutzen Gemeinschafts-Badezimmer. Die Zimmer wurden jedoch täglich von den Rekruten gereinigt, ebenso desinfizierten sie die Toiletten nach jedem Gebrauch. Ihre Mahlzeiten nahmen die Studienteilnehmer in einem Gemeinschaftsraum ein, der nach jeder Gruppe gereinigt und desinfiziert wurde. Die meisten Trainingseinheiten wurden im Freien durchgeführt. Alle Bewegungen der Probanden wurden zudem beaufsichtigt, und sie unterzogen sich jeden Tag Temperaturkontrollen und einem Symptomscreening:
"Wenn die Rekruten irgendwelche Anzeichen oder Symptome meldeten, die mit COVID-19 übereinstimmten, meldeten sie sich krank, unterzogen sich einem PCR-Test auf SARS-CoV-2 und wurden bis zum Vorliegen der Testergebnisse isoliert."
Wöchentlich wurden zudem PCR-Tests durchgeführt und Blutproben entnommen, die dann auf SARS-CoV-2 spezifische Antikörper untersucht wurden. Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen kam es jedoch zu Ansteckungen: Von den Rekruten in Quarantäne wurden insgesamt 51 positiv auf SARS-CoV-2 getestet. In der Kontrollgruppe waren es nur 26 von 1.556 Personen, bei denen der Test positiv war. Um herauszufinden, wie und in welchen Clustern sich das Virus ausbreitete, analysierten die Wissenschaftler um Andrew Letizia vom Naval Medical Research Center das Genom aus den Viren der positiv getesteten Personen.
Dabei stellten sie fest, dass die meisten Fälle innerhalb der einzelnen Einheiten auftraten. Die epidemiologische Analyse wies darauf hin, dass die Zugehörigkeit zu einem Zug und die Unterbringung in Doppelzimmern Risikofaktoren für eine Infektion waren, nicht jedoch die Nähe der Zimmer oder die gemeinsamen Badezimmer.
Wie sich das Virus in der Quarantäne-Gruppe ausbreitete, konnten die Forscher nicht mit hundertprozentiger Sicherheit klären. Obwohl das Hilfspersonal wie Hausmeister und Küchenpersonal getrennt von den Rekruten und Ausbildern arbeitete, kann eine Übertragung durch das Hilfspersonal nicht ausgeschlossen werden. Man kann aber auch nicht ausschließen, dass das Virus von einem Rekruten stammt, dessen mutmaßliche Infektion zu Beginn des Versuchs durch einen falsch-negativen PCR-Test irrtümlich nicht entdeckt worden war.
Doch dass die Soldaten sich trotz strenger Auflagen dieses Virus vom Stamm SARS-CoV-2 einfingen, ist nicht notwendigerweise beunruhigend: Nur 5 der 51 Fälle zeigten danach für SARS-CoV-2 typische Symptome wie Husten, Schnupfen, Fieber und Kopfschmerzen. Schwere Fälle kamen nicht vor. Dies ist auch nicht verwunderlich, da alle Rekruten körperlich fit und jüngeren Alters sind und damit nicht zur Risikogruppe gehören. Im Endeffekt liefert die Studie Hinweise, dass Kritiker der üblichen Coronamaßnahmen wie der deutsche Infektiologe Matthias Schrappe anscheinend richtig liegen: Ein Lockdown sei Schrappe zufolge kein geeignetes Instrument zur Bekämpfung der Corona-Krise. Es müsse vor allem darum gehen, die Risikogruppe effektiver zu schützen.
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