von Kani Tuyala
Alles begann mit der Invasion in Afghanistan, nachdem die USA im Jahr 2001 den "Krieg gegen Terror" ausgerufen hatten. Seit 19 Jahren führt Washington nun Krieg im Land am Hindukusch – ein neuer Rekord in der ungewöhnlich kriegerischen Geschichte des nordamerikanischen Landes. Längst ist vollkommen unklar, was die eigentlichen Kriegsziele waren oder sind. Und nur noch vereinzelte Berichte über erfolgreich installierte Brunnen oder Mädchen, die nun die Schule besuchen können, sind nicht mehr in der Lage, über das vollkommene Desaster und die Niederlage der US- und NATO-Kriegsmaschinerie hinwegzutäuschen.
Der noch amtierende US-Präsident Donald Trump versuchte sich an einem gewagten Spagat, der darin bestand, einerseits US-Truppen aus dem Land abziehen zu wollen und andererseits genügend Einheiten vor Ort zu belassen, um die Geschicke des Landes weiterhin im US-Interesse lenken zu können. Daher entfesselte die Trump-Administration den Schattenkrieg mittels verdeckter Operationen durch Militär und Geheimdienste am Hindukusch. Und um möglichst wenig eigene Einheiten in dem längst orientierungslosen Kriegseinsatz opfern zu müssen, bediente und bedient man sich offensichtlich nach wie vor auch afghanischer Helfershelfer.
Konkret handelt es sich um afghanische paramilitärische Einheiten, die mutmaßlich zu den von der CIA ausgebildeten und verdeckt operierenden Sondereinheiten 01, 02, 03 und 04 gehören und in Zusammenarbeit mit US-Spezialeinheiten seit Dezember 2018 Terrorkampagnen gegen Zivilisten durchführen.
Als Todesschwadronen eingesetzt, führten sie "Razzien gegen Zivilisten" durch, "die zu Massakern" ausarteten, wie der Journalist Andrew Quilty für das Investigativ-Magazin The Intercept festhält.
"Viele dieser Razzien haben religiöse Schulen, die berühmten Medressen, angegriffen, was zum Tod von Kindern im Alter von 8 Jahren führte", so Quilty.
Laut dem preisgekrönten australischen Fotojournalisten "sprachen Bewohner von vier Bezirken in Wardak – Nirkh, Chaki, Sayd Abad und Day Mirdad – von einer Reihe von Massakern, Hinrichtungen, Verstümmelungen, gewaltsamem Verschleppungen, Angriffen auf medizinische Einrichtungen und Luftangriffen auf Gebäude, die bekanntermaßen Zivilisten beherbergen." Bei einer der verdeckten Terroroperationen im Dezember 2018 seien zwölf Jungen im Alter zwischen 9 und 18 Jahren in einer der religiösen Schulen ermordet worden, während ein Dutzend weiterer Kinder mit dem Leben davongekommen sei.
Die zwölf in jener Winternacht in der Medresse in Omar Khail getöteten Jungen gehörten nach Angaben des vorwiegend in Afghanistan arbeitenden australischen Journalisten zu Dutzenden von Zivilisten, die bei mindestens zehn bisher nicht dokumentierten nächtlichen Angriffen in der zentralafghanischen Provinz Wardak umgebracht wurden. Insgesamt seien den Gräueltaten mindestens 51 Menschen zum Opfer gefallen.
Die Opfer wären laut Auskunft der Bewohner im Allgemeinen selten Anhänger der Taliban gewesen. Doch "die afghanische Einheit und ihre amerikanischen Befehlshaber wurden weder von der afghanischen noch von der US-Regierung jemals öffentlich zur Rechenschaft gezogen."
"Mehrere Razzien wurden von Luftangriffen begleitet oder – in mindestens einem Fall – von der Detonation handgelegter Sprengsätze, die auf Strukturen abzielten, von denen bekannt war, dass sie von Zivilisten bewohnt wurden", schreibt Quilty bei The Intercept.
Die Amerikaner "trampeln auf alle Regeln des Krieges, auf die Menschenrechte, auf all die Dinge, von denen sie sagten, sie würden sie nach Afghanistan bringen", erklärte der Leiter des Provinzrates von Wardak, Akhtar Mohammad Tahiri. Sie "verhalten sich wie Terroristen. Sie bringen Terror und Gewalt und denken, dass sie auf diese Weise die Kontrolle erlangen."
Die afghanischen Terrormilizen seien in den allerersten Tagen des Afghanistankrieges [1979, Anm. d. Red.] von CIA-Offizieren gegründet worden. Nach der US-Invasion in Afghanistan Ende 2001 seien sie zurück "in die Truppe" geholt worden, denn
"dieses Netzwerk von Milizen wurde aufgebaut und scheint vollständig unter der Kontrolle der CIA zu stehen, besteht aber ausschließlich aus afghanischen Soldaten", erläutert der 2016 mit dem australischen Gold Walkley Award ausgezeichnete Andrew Quilty.
Die von der CIA unterstützten Milizen, die wegen ihrer gezielten, aggressiven Methoden als "Strike Force Units" bekannt sind, unterstehen nominell dem National Directorate of Security (NDS, Nationale Sicherheitsdirektion), dem afghanischen Geheimdienst.
Diese verdeckten Gruppierungen bestehen aus den Sondereinheiten 01 – die vor allem in den zentralafghanischen Provinzen, darunter Wardak und Lugar, operiert – und 02, die in Dschalalabad stationiert ist und im östlichen Teil des Landes arbeitet. Hinzu kommen die Sondereinheiten 03 – auch bekannt als Kandahar Strike Force, die im Süden operiert – und 04, die Razzien in Kunar und den angrenzenden Provinzen im Nordosten durchführt.
Von zwei weiteren Einheiten im Südosten, der Khost Protection Force und den Shaheen Forces, von denen letztere 2019 in der ostafghanischen Provinz Paktika auftauchte, wird angenommen, dass sie ähnlichen Kommandostrukturen unterstehen.
Die CIA-Berater der Einheiten tragen keine Namen, sondern Pseudonyme oder lediglich Rufzeichen. Sie bilden demzufolge nicht nur die afghanischen Mitglieder der Einheiten aus, sondern wählen auch die Ziele – von den US-Amerikanern "Jackpots" genannt – aus, geben detaillierte Briefings vor dem Einsatz und begleiten die afghanischen Paramilitärs während der Einsätze vor Ort.
Die Afghanen und US-Amerikaner werden nachts mit Hubschraubern in abgelegene Dörfer geflogen, und während die Einheiten am Boden ihre Razzien durchführen, leisten US-Kampfflugzeuge Luftunterstützung, wobei nicht selten Gesundheitseinrichtungen, Koranschulen oder zivile Häuser die Ziele darstellen.
"Ich weiß nicht, ob es sich um Spezialeinheiten, eine Task Force oder die CIA handelt", erklärte ein NDS-Offizier für Terrorismusbekämpfung aus Wardak, der "01" bis Ende 2018 bei Einsätzen begleitete, aber "Amerikaner sind immer dabei."
Ob eine Administration unter dem US-Demokraten Joe Biden dem ruchlosen Treiben in Afghanistan ein Ende setzt, wird von Experten derweil bezweifelt. So erklärte der Präsident des Quincy Institute for Responsible Statecraft, Andrew Bacevich, Anfang Dezember in The Nation, dass Biden – was den Krieg in Afghanistan angehe – "beides haben" wolle. Der designierte US-Präsident werde gelegentlich sagen, dass "diese ewigen Kriege beendet" werden müssten, dass die USA aber auf der anderen Seite ein gewisses Kontingent an eigenen Kräften in Afghanistan behalten müssten. Wie Bacevich anmerkt, wäre es wohl Bidens Strategie, "den längsten Krieg in der Geschichte der USA für beendet zu erklären, während er gleichzeitig dessen (verdeckte) Fortführung unterstützt."
Bidens mutmaßliche Befürwortung eines "light footprint" [geringen militärischen Fußabdrucks, Anm. d. Red.] könnte ihn sehr leicht in das gleiche Dilemma wie den noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump geraten lassen: Er müsste verstärkt auf verdeckte CIA-Operationen setzen, um dadurch die US-Kontrolle in Afghanistan mit minimalem Einsatz von regulären, uniformierten Truppen zu erhalten. Dies sei ein Rezept für weitere Massaker.
Es sei wahrscheinlich, so The Nation, dass Biden die Politik früherer Präsidenten fortsetzen werde, indem er auf verdeckte CIA-Operationen zurückgreift, um die endgültige Niederlage abzuwenden.
"Das bedeutet die Fortführung von schrecklichen Kriegsverbrechen in einem Konflikt, der nicht zu gewinnen ist."
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