Nach einem schweren Cyberangriff auf US-Ministerien kündigte der Stabschef des designierten Präsidenten Joe Biden Sanktionen gegen Russland unter der neuen Regierung an. "Diejenigen, die verantwortlich sind, werden die Konsequenzen dafür tragen", sagte Ron Klain am Sonntag. Ziel sei es, Russland künftige Hackerangriffe zu erschweren. "Die Verantwortlichen sollen mit Konsequenzen rechnen", sagte Klain. Es gehe nicht nur um Sanktionen. Es gebe auch Schritte und Dinge, die die die USA unternehmen könnten, um Angriffen als solche zu verhindern.
Der Chef der IT-Sicherheitsfirma FireEye Kevin Mandia, der unlängst bekannt gegeben hatte, seine Firma sei zum Ziel der Hackerangriffe vom Ausland geworden, erklärte, die ausländische Eindringlinge würden wieder angreifen, und US-Behörden hätten nicht viel Zeit, um entsprechende Maßnahmen zur Abwehr der nächsten Cyberangriffe zu ergreifen, berichtete Associated Press. "Diese Attacken werden weiter eskalieren und schlimmer werden, wenn wir nichts tun", sagte Mandia. FireEye ist ein Unternehmen mit Sitz in den USA, das Netzwerksicherheits-Software und -Dienstleistungen anbietet.
Die russische Botschaft in den USA hielt bereits Versuche von US-Medien, russische Hacker für die jüngsten Angriffe auf US-Regierungsstellen verantwortlich zu machen, für unbegründet.
Während US-Außenminister Mike Pompeo bereits Russland für die groß angelegte Cyberattacke auf US-Regierungseinrichtungen verantwortlich machte, teilte Trump die Einschätzung seines Ministers nicht. Es werde immer gleich Russland verdächtigt, wenn etwas passiere. Dabei könne möglicherweise auch China dahinterstecken, schrieb der US-Präsident auf Twitter. Das Ausmaß und die Gefahr der Cyberattacke werde weit größer dargestellt, als es tatsächlich sei. "Ich wurde umfassend informiert, und es ist alles voll unter Kontrolle", so Trump.
Inzwischen kritisierte Chinas Regierung Präsident Trump scharf, weil er China vorgeworfen hatte, hinter den jüngsten Cyberangriffen zu stecken. Das Außenministerium erklärte, China lehne Cyberspionage ab und habe harte Maßnahmen gegen "Cyberkriminalität" getroffen. "Die Vereinigten Staaten haben das Thema Cybersicherheit ohne überzeugende Beweise politisiert und ständig falsche Informationen verbreitet", sagte Wang Wenbin, ein Sprecher des Ministeriums.
Während Trump die Auswirkungen der jüngsten Hackangriffe herunterspielte, erklärte die Cybersecurity and Infrastructure Security Agency (CISA) in den USA, dass die jüngsten Cyberangriffe den Bundesbehörden sowie kritischer Infrastruktur geschadet hätten. Mit diesem Begriff werden "lebenswichtige" Vermögenswerte für die USA oder ihre Wirtschaft bezeichnet, die eine breite Kategorie von Kraftwerken bis hin zu Finanzinstituten umfassen.
Die Hacker konnten sich monatelang unerkannt durch US-Netzwerke wühlen. Dabei sollen sowohl Atomgeheimnisse als auch Baupläne für hochmoderne Waffen, Impfstoffforschungen oder Informationen über wichtige Politiker und Unternehmer entdeckt worden sein. Hacker verschafften sich Zugang zu den Computersystemen von mehr als 40 US-Bundesbehörden, darunter die Ministerien für Finanzen, Energie und Handel, sowie zu den Netzwerken mehrerer Firmen, die mit der Regierung zusammenarbeiten. Nach Medienberichten wurde mittlerweile das FBI eingeschaltet. Der Hackerangriff sei so ernst gewesen, dass er in der letzten Woche zu einer dringlichen Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates im Weißen Haus geführt habe.
Das Weiße Hause soll geplant haben, eine Erklärung zu veröffentlichen, in der es behauptet, dass Russland in den Hackerangriff auf Computersysteme der US-Regierung verwickelt sei. Die betroffenen Behörden seien aber in letzter Minute angewiesen worden, sie nicht zu veröffentlichen, berichtete die Nachrichtenagentur TASS. Der Sprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow wies bereits US-Vorwürfe zurück, dass russische Hacker hinter diesen Cyberangriffen stehen.
Unabhängig davon, wer hinter diesem Angriff steckt, bleibt die Tatsache, dass der entdeckte groß angelegte Cyberangriff in einer Qualität durchgeführt wurde, dass selbst Kenner der IT-Szene in den USA noch nicht in der Lage sind, das Ausmaß des jüngsten Cyberangriffes richtig einzuschätzen. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ), die Russland vorwirft, hinter den Cyberangriffen zu stecken – und das Land zugleich als Supermacht im Cyberspace bezeichnet –, nannte den Fall eine "riesige Blamage für Washington". Der Angriff erwischte die USA allerdings in deren schwierigster Phase. US-Präsident Trump ist nicht bereit, seinen Platz zu räumen, während sein potenzieller Nachfolger Biden die Zügel noch nicht in der Hand hält. Hinzu kommen die fortschreitende Spaltung der US-Gesellschaft seit den US-Wahlen und eine steigende Corona-Infektionsrate.
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