Die Ermordung des iranischen Kernphysikers Mohsen Fachrisadeh in Absard, einem Vorort östlich der Hauptstadt Teheran, am 27. November schlug in den internationalen Leitmedien kaum Wellen. Vor Ort sorgt das mehrstufige Attentat, das den Tod des Physikers nach sich zog, für neue Spannungen – und dies vor der in den USA anstehenden Staffelübergabe im Weißen Haus.
Der Atomphysiker war am Freitag zum Opfer eines Attentats geworden. Das iranische Verteidigungsministerium sprach bei Bekanntgabe der Nachricht von einem "Märtyrertod". "Zweifellos wird der Iran den Verbrechern, die der iranischen Nation den Märtyrer Mohsen Fachrisadeh entrissen haben, eine kalkulierte und entschiedene Antwort geben", hieß es aus den Reihen der iranischen Führung.
Auch der ehemalige CIA-Direktor John Brennan kommentierte die Ermordung von Fachrisadeh. Es habe sich um einen verbrecherischen Akt gehandelt. Brennan, dem Biden als Vizepräsident 2013 den Amtseid abgenommen hatte, warnte vor einer Spirale der Gewalt.
"Dies war eine verbrecherische Handlung und höchst rücksichtslos. Damit wurde das Risiko tödlicher Vergeltungsmaßnahmen und eine neue Runde regionaler Konflikte eingeläutet. Die iranische Staatsführung wäre gut beraten, die Rückkehr einer verantwortungsbewussten US-amerikanischen Führung auf die Weltbühne abzuwarten – und dem Drang zu widerstehen, gegen vermeintliche Täter vorzugehen."
Erst jetzt bezog auch der designierte US-Präsident Joe Biden Stellung zum Mordanschlag. Ihm zufolge ist es "schwer zu sagen", inwiefern sich die Tötung des iranischen Wissenschaftlers womöglich auf die US-Verhandlungen mit dem Iran auswirken würden.
Zuvor hatten Beobachter darüber spekuliert, dass die Ermordung Fachrisadehs einen geostrategischen Hintergrund gehabt habe. Es sei vor allem darum gegangen, den Iran zu Kurzschlussreaktionen zu verleiten und Verhandlungen Bidens mit der iranischen Führung über eine Rückkehr der USA zum Nuklearabkommen zu erschweren.
"Die Quintessenz ist, dass wir nicht zulassen können, dass der Iran Atomwaffen bekommt", erklärte Biden nach der Ermordung Fachrisadehs nun dem US-Nachrichtensender CNN.
Bereits im Frühjahr 2018 hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Kernphysiker in einer Präsentation über das iranische Atomprogramm hervorgehoben: "Merken Sie sich den Namen Fachrisadeh."
Bei dem Mitglied der iranischen Revolutionsgarde handelte es sich nach israelischer Lesart um das "Mastermind" hinter einem Projekt zur Entwicklung nuklearer Waffen. "Es darf keine Rückkehr zum vorherigen Atomabkommen geben", erklärte Netanjahu, kurz nachdem sich abzeichnete, dass Biden der nächste Präsident sein wird.
Der US-Demokrat hatte zuvor zu verstehen geben, dass er gewillt sei, die entsprechenden Verhandlungen mit Teheran wieder aufzunehmen.
Nun erklärte Biden, dass Teheran aufgrund der Iranpolitik von US-Präsident Donald Trump der Entwicklung nuklearer Waffen wieder einen Schritt nähergekommen sei.
"Sie nähern sich der Fähigkeit, über genügend Material für eine Atomwaffe zu verfügen. Und dann ist da noch die Raketenproblematik", so der US-Demokrat.
Derweil warnte der Nationale Sicherheitsrat Israels seine Bürger im Ausland vor einer mutmaßlich zunehmenden Bedrohung durch die Islamische Republik. Dabei gehe es um Länder in der Region wie Georgien, Aserbaidschan, die Türkei, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain sowie Staaten in Afrika, teilte die Anti-Terror-Abteilung des Sicherheitsrats in der Nacht auf Freitag mit. Es bestehe die Sorge, dass jüngsten Drohungen aus dem Iran Taten folgen.
Derweil spricht der iranische Außenminister Mohammad Dschawad Sarif von Doppelstandards der westlichen Regierungen. "Der Iran appelliert an internationale Gemeinschaft, insbesondere an die EU, ihre beschämenden Doppelstandards aufzugeben und diesen Akt des Staatsterrors zu verurteilen."
Der Iran sei bereit, gegen Israel in den Kampf zu ziehen. An die Nachbarstaaten des Iran gewandt, ergänzte Sarif:
"Ich will unsere Nachbarn fragen: Sind Sie bereit, mit dem Iran gegen Israel zu kämpfen? Wir sind Nachbarn in dieser Region. Ich glaube nicht, dass sie es Israel erlauben werden, den Kampf hierherzubringen."
Mehr zum Thema - Trotz blutiger Provokationen: Warum es nicht zum Krieg zwischen Iran und den USA kommen wird