Bei ihrem Einsatz in Afghanistan sollen australische Spezialeinheiten Dutzende von Nichtkombattanten ermordet haben. "Glaubwürdige Informationen" deuten darauf hin, dass 39 afghanische Zivilisten in den Jahren von 2007 bis 2014 im Rahmen von 23 separaten Zwischenfällen von Elitesoldaten unrechtmäßig getötet wurden, so ein Ermittlungsbericht.
Dieses hochbrisante Ergebnis einer Untersuchung der Kriegsverbrechen veranlasste General Angus Campbell, den militärischen Befehlshaber der australischen Verteidigungskräfte, sich für dieses "schwerwiegende und zutiefst beunruhigende" Fehlverhalten zu entschuldigen. Bei einer Pressekonferenz zur Bekanntgabe der Ermittlungsergebnisse des 465 Seiten umfassenden "Brereton-Berichts" am Donnerstag sagte Campbell:
Beim afghanischen Volk entschuldige ich mich im Namen der australischen Verteidigungskräfte aufrichtig und vorbehaltlos für jegliches Fehlverhalten australischer Soldaten.
Der General bezeichnete die im Bericht aufgeführten Ereignisse als "schädlich für die moralische Autorität unserer Streitkräfte".
Das uns vorgeworfene Verhalten missachtete zutiefst das Vertrauen des afghanischen Volkes, das uns in sein Land gebeten hatte, um ihnen zu helfen. Es hat das Leben afghanischer Familien und Gemeinschaften zerstört und unermessliche Schmerzen und Leiden verursacht.
Blutige Initiierungsrituale mit untergeschobenen Waffen getarnt
Die Vorfälle betrafen größtenteils Gefangene, von denen zum Zeitpunkt der Tötung keiner mehr ein Kombattant war, so die Ergebnisse der Untersuchung. Diese besagen ferner, dass keine der Tötungen etwa in "der Hitze des Gefechts" stattfand. Soldaten verbargen zudem viele der Hinrichtungen, oft indem sie den Toten vermeintliche Waffen unterschoben, um Vorgesetzte bei möglichen Kontrollen in die Irre zu führen.
Der Bericht, benannt nach dem Richter des australischen Obersten Berufungsgerichts Paul Brereton, der die vier Jahre dauernde Untersuchung der Kriegsverbrechen leitete, entbindet die höheren Ränge des Militärs weitgehend von einer Verantwortung für die Morde. Man fand keine Beweise dafür, dass hochrangige Beamte Kenntnis von den unrechtmäßigen Tötungen hatten, sondern macht stattdessen die Kommandeure in niederen Rängen mitverantwortlich.
Bei Sondereinsatzgruppen verschiedener Rotationsgänge hat die Untersuchung glaubwürdige Informationen darüber vorgefunden, dass Soldaten niederer Ränge von ihren Patrouillenkommandeuren aufgefordert wurden, einen Gefangenen zu erschießen, damit der Soldat so zu seinem ersten Toten kam.
Damit bezieht sich der Bericht auf eine Initiierungspraxis, die als "blooding" bekannt ist – als "Blutvergießen".
Problem erkannt, Maßnahmen skizziert – Umsetzung unsicher
General Campbell urteilte, die Verstöße seien durch eine "egozentrische Kriegerkultur" angespornt worden, die einige Patrouillenkommandeure in ihren Trupps förderten und die "militärische Exzellenz mit Ego, Elitismus und Selbstgerechtigkeit" verbinde. Er fügte jedoch hinzu, dass die Rechenschaftspflicht sehr wohl auch bei Personen "in der Befehlskette liegen muss, die für das Systemversagen verantwortlich ist, das die uns vorgeworfenen Verstöße ebenso wie ihr Unentdecktbleiben möglich machte." Campbell hob hervor:
Die unrechtmäßige Tötung von Zivilisten und Gefangenen ist niemals akzeptabel. Es ist meine Pflicht und die meiner Amtskollegen, alles wieder ins Lot zu bringen.
Der Brereton-Bericht empfiehlt dem Militär und der Regierung angesichts der Ergebnisse eine Reihe von Korrekturmaßnahmen. Dazu gehört die sofortige Entschädigung der Familien der Opfer, ein Eindämmen der besagten Kriegerkultur der Spezialeinheiten durch die Abschaffung bestimmter Medaillen und Auszeichnungen sowie die Überstellung von 19 Soldaten zur strafrechtlichen Untersuchung durch die australische Bundespolizei. Premierminister Scott Morrison ernannte zwar einen Sonderermittler, der die Anschuldigungen untersuchen soll, es bleibt aber unklar, ob die Regierung die im Bericht unterbreiteten Empfehlungen annehmen wird.
Bereits im Jahr 2017 waren Anschuldigungen über Kriegsverbrechen gegen australische Soldaten aufgetaucht. Die Redaktion der Nachrichtenagentur ABC hatte damals Hunderte von Seiten an durchgesickerten Dokumenten, bekannt als sogenannte Afghan Files, erhalten. Die geheimen Militärdokumente beschrieben mindestens 10 Fälle unrechtmäßiger Hinrichtungen, unter anderem auch von unbewaffneten Zivilisten und Kindern. Das Informationsleck führte im vergangenen Jahr zu einer umstrittenen Razzia der australischen Bundespolizei im Hauptquartier von ABC, bei der die Akten beschlagnahmt wurden. Während der mutmaßliche Whistleblower David McBride strafrechtlich verfolgt wurde, schloss die Polizei laut The Guardian bisher eine Anklage gegen die Journalisten, die die Sache publik machten, aus.
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