Bundespolitiker entsetzt: NPD-Funktionär mit Stimmen von CDU, SPD und FDP zum Ortsvorsteher gewählt

Der Ortsbeirat einer hessischen Gemeinde wählte einen NPD-Funktionär einstimmig zum Ortsvorsteher. Bundespolitiker von CDU, SPD und FDP zeigten sich entsetzt darüber, dass Parteifreunde von ihnen für einen Politiker der rechtsextremen NPD gestimmt haben.

Alle sieben anwesenden Vertreter des Ortsbeirats von Altenstadt-Waldsiedlung, darunter Vertreter von CDU, SPD und FDP, wählten am Donnerstagabend den stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Stefan Jagsch zum Vorsteher, wie die regionalen Verbände von CDU und SPD am Samstag bestätigten. Zwei Abgeordnete von SPD und CDU waren bei der Abstimmung nicht anwesend. Nach einem Bericht der Zeitung Kreis-Anzeiger gab es keinen anderen Kandidaten für die Nachfolge des bisherigen Ortsvorstehers, der für die FDP angetreten war und bereits im Juni seinen Rücktritt angekündigt hatte.

"Für die CDU unfassbar und untragbar"

Die Kreisvorsitzende der CDU Wetterau, Lucia Puttrich, und der Vorsitzende der CDU Altenstadt, Sven Müller-Winter, reagierten in einer gemeinsamen Erklärung "mit Entsetzen und absolutem Unverständnis" auf die Wahl des NPD-Funktionärs.

Zur einstimmigen Wahl haben leider auch zwei Ortsbeiratsmitglieder beigetragen, die bei der letzten Kommunalwahl über die CDU-Liste als Mitglied und als Nicht-Mitglied in den Ortsbeirat gewählt wurden.

Die NPD verfolge nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts verfassungsfeindliche Ziele, die Wahl eines Politikers dieser Partei sei "für die CDU unfassbar und untragbar", erklärten Müller-Winter und Puttrich, die auch hessische Ministerin für Bundes- und Europa-Angelegenheiten ist. Die "falsche Entscheidung" müsse korrigiert werden, wozu bereits Gespräche aufgenommen worden seien.

"Völlig fassungslos" zeigte sich die SPD-Vorsitzende im Wetteraukreis, die Landtagsabgeordnete Lisa Gnadl. Die NPD falle auch im Wetterauer Kreistag "immer wieder mit ihrer menschenfeindlichen Hetze" auf. Jetzt müssten alle Konsequenzen geprüft werden, fügte Gnadl in einer schriftlichen Erklärung hinzu.

SPD-Generalsekretär Klingbeil: Wir kooperieren nicht mit Nazis!

Der Vorsitzende der Wetterauer FDP, Jens Jacobi, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Wir sind unfassbar entsetzt über diese Wahl."

Auch Bundespolitiker von CDU, SPD und FDP zeigten sich entsetzt. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte gar, die Wahl wieder aufzuheben. "Die SPD hat eine ganz klare Haltung: Wir kooperieren nicht mit Nazis! Niemals!", schrieb Klingbeil auf Twitter.

Sein Parteikollege Ralf Stegner forderte via Twitter ebenfalls, die Wahl schnell rückgängig zu machen.

Verteidigungsstaatssekretär Peter Tauber (CDU), zu dessen Wahlkreis der Ort gehört, drohte mit Konsequenzen. "Wem der politische und moralische Kompass fehlt und (wer) als Demokrat eine solch verantwortungslose Wahlentscheidung trifft, ist in der CDU und auf einer CDU-Wahlliste untragbar", twitterte er.

Der Parlamentsgeschäftsführer der FDP im Bundestag, Marco Buschmann, nannte die Wahl in dem Internetdienst "doppelt schlimm: erstens, dass Demokraten so jemanden wählen; zweitens, dass kein demokratischer Kandidat bereit stand, um die Aufgabe zu übernehmen".

Auch die AfD Hessen kritisierte die Wahl: "CDU, SPD und FDP haben in der Wetterau ein Extremismus-Problem", sagte Landessprecher Robert Lambrou. "Im Gegensatz zur CDU, SPD und FDP hat die AfD in Hessen noch nie NPD-Politiker zu Ortsvorstehern gewählt und wird so etwas Extremes auch in Zukunft nicht tun."

Jagsch war bereits 2016 schon einmal in die Schlagzeilen geraten. Damals war er mit einem Wagen gegen einen Baum gefahren und schwer verletzt worden. Zwei syrische Asylbewerber hatten den Rechtsextremisten daraufhin aus seinem Autowrack gerettet.

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(dpa/rt deutsch)