Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU-Vorsitzende und frischgebackene Verteidigungsministerin, hat eine deutliche Erhöhung der deutschen Rüstungsausgaben gefordert. Nur wenige Tage nach ihrer Amtsübernahme erklärte die Ministerin im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS):
Wir haben beim Zwei-Prozent-Ziel der NATO eine klare Zusage gegeben. Dass man die zwei Prozent nicht von heute auf morgen erreicht, ist klar. Dass man aber den Weg dorthin auch wirklich gehen muss, ist genauso klar. Das ist nicht nur meine persönliche Auffassung, sondern auch die Auffassung der CDU. Jetzt werde ich im Kabinett und im Koalitionsausschuss diese Haltung als Fachministerin und Parteivorsitzende vertreten.
Bereits in ihrer Rede vor der Atlantik-Brücke im Juni hatte sich Kramp-Karrenbauer zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO bekannt. Damals sagte sie, es gehe um gegenseitiges Vertrauen und auch um die Erwartungen der eigenen Bürger, die erfüllt werden müssten. Das Ziel sei auch ein Signal an die osteuropäischen NATO-Staaten, die sich von Russland bedroht fühlen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte wiederholt erklärt, die Rüstungsausgaben weiter steigern zu wollen. Am Samstag erklärte sie bei einem Rekrutengelöbnis in Berlin, dass man dies den Soldaten und den "Partnern in den Vereinten Nationen, der NATO und der EU" schulde:
Und das muss uns der Einsatz für Frieden und Sicherheit auch wert sein.
Zwei Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts entsprächen gegenwärtig etwa 82 Milliarden Euro. Kein europäisches Land gibt derzeit auch nur annährend so viel Geld für Rüstung aus. Den größten Rüstungshaushalt unter den europäischen Ländern hatte nach den Zahlen des schwedischen SIPRI-Instituts 2018 Frankreich mit 63,8 Milliarden Euro vor Russland mit 61,4, Großbritannien mit 50 und Deutschland mit 49,5 Milliarden Euro. Die USA gaben 649 Milliarden Euro für Rüstung aus.
Derzeit wendet die Bundesrepublik 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auf. Dieser Anteil soll nach dem geltenden Finanzplan 2020 auf 1,37 Prozent steigen, dann wieder auf 1,25 Prozent zurückgehen. Die USA haben die Bundesregierung wiederholt für die angeblich zu niedrigen Rüstungsausgaben kritisiert.
Die Aussagen Kramp-Karrenbauers stießen beim Koalitionspartner SPD auf deutliche Kritik. Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er wundere sich, dass Kramp-Karrenbauer diese Debatte direkt wieder aufmache:
Es wird keine Aufrüstung nach den Wünschen von Trump geben. Das ist mit der SPD nicht zu machen, und das haben wir in der Koalition bereits zigfach geklärt.
Thorsten Schäfer-Gümbel, kommissarischer SPD-Vorsitzender, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, man sei in Koalition und Bundesregierung schon einmal weiter gewesen. Die Frage des Haushalts und der mittelfristigen Finanzplanung seien geklärt. Das gelte auch für den Bundeswehretat.
Kritik kam auch aus der Opposition. Sevim Dağdelen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, schrieb auf Twitter, wer das Zwei-Prozent-Ziel umsetzen und die Ausgaben für Rüstung und Militär verdoppeln wolle, sei entweder "nicht ganz dicht" oder wolle Deutschland zur stärksten Militärmacht in Europa machen.
Der Linken-Abgeordnete Jörg Schindler nannte Kramp-Karrenbauer ebenfalls auf Twitter "Aufrüstungsministerin".
Auch die Grünen lehnten die Forderung der neuen Ministerin ab. Der Abgeordnete Tobias Lindner sagte der Passauer Neuen Presse:
Mehr Geld wird die Probleme der Bundeswehr im Moment mit Sicherheit nicht lösen. Wenn Flugzeuge nicht fliegen und U-Boote nicht tauchen können, liegt das vor allem an Missmanagement bei Wartung und Instandhaltung. Das bekommt man nicht mit mehr Geld gelöst.
Nicht nur Ablehnung: FDP-Chef fordert gar Drei-Prozent-Ziel
Weniger ablehnend zeigte sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. Im ARD-Sommerinterview sagte Lindner am Sonntag:
Ich würde allerdings lieber von einem Drei-Prozent-Ziel sprechen und dort noch Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der Diplomatie mit aufnehmen. Denn nur über Aufrüstung zu sprechen, wird ja unseren internationalen Aufgaben nicht gerecht.
Die klare Positionierung Kramp-Karrenbauers für eine drastische Erhöhung der Rüstungsausgaben ist dazu geeignet, die ohnehin wachsenden Risse in der "Großen Koalition" weiter zu vertiefen. Dass die CDU mit dem Thema Aufrüstung in einem möglicherweise bevorstehenden Wahlkampf punkten kann, darf angesichts der Stimmung im Land allerdings bezweifelt werden.
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