Theoretisch hat jeder Patient, der unter einer psychischen Erkrankung leidet, das Recht auf eine Akutsprechstunde bei einem Therapeuten seiner Wahl. Im Schnitt dauert es in Deutschland aber 20 Wochen, bis psychisch Kranke einen Behandlungstermin erhalten. Und 40 Prozent der Betroffenen erhalten zunächst keinen erforderlichen Therapieplatz.
Die Zahlen für die Bedarfsplanung stammen noch aus dem Jahr 1999 und sind veraltet. Am kürzesten ist die Wartezeit derzeit noch in Berlin. Hier muss ein Patient "nur" 13 Wochen warten, bis er oder sie eine Therapie erhält.
Der Gesundheitsminister Jens Spahn schlägt nun vor, dass psychisch Kranke daher zunächst von Experten, allerdings nicht dem selbst gewählten Arzt, voruntersucht werden sollten. Diese müssen dann über den tatsächlichen Bedarf entscheiden. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) soll die Vergabe von Psychotherapieplätzen neu regeln und für schnellere Behandlungen sorgen.
Die Länderkammer sagt in einer Stellungnahme zum neuen Vorhaben des Gesundheitsministers:
(Es besteht die) Gefahr, dass zusätzliche Hürden für psychisch kranke Menschen aufgebaut werden und dadurch der Zugang zur Psychotherapie eher noch erschwert wird.
Erneute Petition gegen Spahns Vorhaben
Bereits 130.000 Unterschriften wurden gegen sein neues Vorhaben gesammelt. In dem gemeinsamen Protestbrief der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung, zusammen mit dem Bundesverband der Vertragspychotherapeuten, heißt es, dass:
besonders qualifizierte Ärzte und psychologische Psychotherapeuten - und nicht etwa der später Behandelnde - in Voruntersuchungen festlegen, zu welchem Hilfe- oder Therapieangebot die Betroffenen gehen dürfen. Dies würde eine erhebliche Verschlechterung und Belastung für die betroffenen Patienten bedeuten.
Dem DAK-Gesundheitsreport 2018 nach machten im Jahr 2017 die psychischen Erkrankungen unter allen Krankmeldungen 16,7 Prozent aller Krankheitsfälle in Deutschland aus. Damit standen sie weiterhin an zweiter Stelle. Die Betroffenen leiden häufig unter Stigmatisierung in der Gesellschaft. So sagt eine Betroffene:
Wenn ich dazwischen noch ein Vorgespräch mit einem Dritten hätte haben müssen, dem ich wieder "beweisen" muss, dass ich krank bin, hätte ich das Ganze vielleicht komplett abgeblasen. Jedes Mal wieder erklären zu müssen, warum man so dringend Hilfe braucht, ist anstrengend und fühlt sich aufgrund des gesellschaftlichen Stigmas jedes Mal beschämend an - auch, wenn es das eigentlich nicht sollte.
Nach Jens Spahns Aufsehen erregender These, Hartz IV bedeute nicht, dass man arm sei, hatten 210.000 Unterzeichner einer Petition von ihm gefordert, er solle doch einfach mal eine Zeit lang auf Hartz-IV Niveau leben und das so selbst testen. Diesem Vorschlag kam der Bundesminister Spahn allerdings nicht nach.
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