Mindestlohn ist Glückssache: Arbeitgeber missachten massenhaft Gesetz

Arbeitgeber in Deutschland missachten massenhaft das Gesetz zum Mindestlohn. Dadurch entsteht für Arbeitnehmer und die Sozialkassen jährlich ein Schaden in Milliardenhöhe, so das Fazit einer neuen Studie. Frauen und Ostdeutsche seien besonders häufig betroffen.

Arbeitgeber in Deutschland missachten massenhaft das Gesetz zum Mindestlohn. Dadurch entsteht für Arbeitnehmer und Sozialkassen jährlich ein Schaden in Milliardenhöhe, wie eine am Freitag veröffentlichte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung aufzeigt.

Den Erkenntnissen der Studie zufolge summierten sich Lohnausfälle und Mindereinnahmen der Sozialversicherung im Jahr 2016 durch Verstöße gegen den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn auf rund 7,6 Milliarden Euro. Wenn man noch Umgehungen von allgemeinverbindlichen Branchenmindestlöhnen hinzurechne, die es etwa am Bau oder in der Altenpflege gebe, ergebe sich für 2016 sogar eine Gesamtsumme von rund 9,9 Milliarden Euro, die Arbeitgeber den Arbeitnehmern und Sozialversicherungen durch Umgehungen von Mindestlöhnen vorenthalten hätten. Dazu sagt WSI-Arbeitsmarktforscher Toralf Pusch:

Durch die weitverbreiteten Mindestlohn-Umgehungen werden nicht nur die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschädigt, sondern auch die Allgemeinheit. Endlich die Kontrollen zu verbessern, ist also von höchstem öffentlichem Interesse.

Weibliche Beschäftigte sind laut der Studie von Umgehungen des Mindestlohns mehr als doppelt so oft betroffen wie Männer. In Ostdeutschland kämen Verletzungen des Mindestlohns deutlich häufiger vor als im Westen, was auch mit der geringeren Tarifbindung und weniger Betriebsräten in den neuen Ländern zusammenhängen könne.

Über 2,2 Millionen Beschäftigte in Deutschland erhielten der Studie zufolge im Jahr 2016 weniger als den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn, obwohl er ihnen zustand. Von Umgehungen des gesetzlichen Mindestlohns seien damit etwa acht Prozent aller Arbeitnehmer betroffen. Legale Ausnahmen vom Mindestlohn seien dabei bereits herausgerechnet.

Jene 2,2 Millionen Menschen, denen der gesetzliche Mindestlohn 2016 vorenthalten wurde, haben nach Berechnungen des WSI im Schnitt 251 Euro monatlich zu wenig erhalten. Damit würden sich die Brutto-Lohnausfälle auf 6,5 Milliarden Euro im Jahr summieren. Da auf die niedrigere Lohnsumme weniger Sozialabgaben anfielen, entgingen auch den Sozialversicherungen rund 2,8 Milliarden Euro, von denen rund 1,1 Milliarden Euro auf Arbeitgeberbeiträge entfielen, so die Erkenntnisse der Studie. Zusammengenommen beläuft sich demnach der Ausfall für Beschäftigte und Sozialkassen auf 7,6 Milliarden Euro, die sich aus der Bruttolohnsumme inklusive der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung sowie den Arbeitgeberbeiträgen zusammensetzen.

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