Verschiedene Studien und der Kongress "Armut und Gesundheit" kommen zu dem Ergebnis, dass Gesundheit und Lebenserwartung der Deutschen stark von ihrer wirtschaftlichen Situation abhängen.
So kommt der am 20. März in Berlin stattgefundene Kongress zu dem Schluss, dass sozial benachteiligte Kinder durchschnittlich einen deutlich schlechteren Gesundheitszustand aufwiesen als Gleichaltrige aus besser verdienenden Familien, und dass Menschen, die von Geburt an mit einem Einkommen unterhalb der Armutsrisikogrenze auskommen müssen, im Vergleich zu Beziehern hoher Einkommen eine um acht bis elf Jahre geringere Lebenserwartung haben.
Als Kind arm, als Erwachsene krank
Weitere alarmierende Feststellungen des Kongresses sind, dass sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen ein zwei- bis dreifach erhöhtes Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Diabetes haben, und dass Nachteile, die in der Kindheit entstehen, häufig im späteren Leben bestehen bleiben. Ärzte und Politiker fordern daher weniger Wettbewerb und mehr Solidarität im Gesundheitswesen.
Die Erkenntnisse des Kongresses "Armut und Gesundheit" beruhen unter anderem auf einer neuen Studie des Robert Koch-Instituts, die ebenfalls zu dem Ergebnis gelangt, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem sozialen Status und der physischen Gesundheit gibt.
Sogar das DIW sieht Armut als Krankheitsrisiko
Auch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) muss einräumen, dass die Lebenserwartung der Deutschen von ihrer wirtschaftlichen Situation abhängt. Die Autoren der Untersuchung, Peter Haan, Daniel Kemptner und Holger Lüthen, weisen nach, dass Reiche deutlich älter werden als Arme – und aus diesem Grund auch länger Pensionen beziehen. Auch dadurch setzen sich soziale Ungerechtigkeiten über die Generationen hinweg fort.
Das DIW hat für seine Analyse Daten der Rentenversicherung untersucht, die sich auf westdeutsche Männer der Jahrgänge 1926 bis 1949 beziehen. Die Studie erkennt einen klaren Zusammenhang zwischen der Höhe der Einkommen vor der Rente und der Lebenserwartung ab dem Alter von 65 Jahren: Demnach bleibt dem reichsten Zehntel am meisten Zeit bis zum Tod, dem ärmsten am wenigsten.
Der Unterschied betrage laut DIW bei den 1926 bis 1928 Geborenen vier Jahre, bei den 1947 bis 1949 Geborenen sieben Jahre. Der Grund für diese Diskrepanz sei, dass sich die Lebenserwartung am oberen Ende der Einkommensskala um vier Jahre verlängert habe, am unteren Ende jedoch nur um ein Jahr. Diese Formel kann man auch auf die Witwen übertragen: Jene Frauen, die mit den reichsten Männern verheiratet waren, werden am ältesten. Auch hier ist die Kluft über die Jahre gewachsen. Das DIW kommt allerdings naturgemäß zu weniger dramatischen Ergebnissen als der Kongress "Armut und Gesundheit".
Unterschiedliche Lebenserwartung macht Rentensystem ungerecht
Die DIW-Wissenschaftler haben sich laut einem Bericht der Hans-Böckler-Stiftung auch mit den Konsequenzen beschäftigt, die sich aus diesen Erkenntnissen für die gesellschaftliche Verteilungsgerechtigkeit ergeben. Die Höhe der Rente sei in Deutschland zwar beitragsabhängig, ihre Höhe berechne sich nach dem Einkommen. Es gebe im deutschen Rentensystem aber auch "progressive" Elemente wie etwa Frühverrentungsmöglichkeiten für Erwerbsunfähige oder Arbeitslose.
Solche Elemente, die zumindest bei Teilen der untersuchten Jahrgänge greifen, führen laut DIW dazu, dass Schlechtbezahlte im Verhältnis zu ihren Beiträgen im Schnitt (theoretisch) etwas mehr bekämen als Gutverdiener – jedoch nur, wenn sie denn genauso lange leben würden. Infolge der Unterschiede bei der Lebenserwartung kommt es jedoch zum genau umgekehrten Effekt: Die Beitragsrendite steigt mit dem Einkommen, wenn man die Summe der Rentenzahlungen bis zum Tod zugrunde legt.
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