Widerstand gegen Ehrung von Amazon-Chef Bezos durch Springer-Verlag

Der Axel-Springer-Verlag möchte den Amazon-CEO Jeff Bezos ehren - unter anderem für sein "visionäres Unternehmertum in der Internetwirtschaft". Doch gerade Amazon steht auch exemplarisch für die Schattenseiten des digitalen Kapitalismus.

Der mittlerweile reichste Mann der Welt soll am 24. April 2018 den Axel-Springer-Award erhalten. Mit dieser Auszeichnung sollen Bezos "visionäres Geschäftsmodell" und sein "Talent für Innovationen" geehrt werden. Er sei ein beispielloser Vorreiter für die Digitalökonomie von Gegenwart und Zukunft. 

Auch die konsequente Digitalisierungsstrategie der 140-jährigen US-Traditionszeitung Washington Post, deren Eigentümer Bezos ist, soll ausgezeichnet werden. Jeff Bezos habe bereits vor fast einem Vierteljahrhundert als Erster das Potenzial des Warenhandels im Internet erkannt, mit Amazon ein globales Unternehmen erfunden und zu einzigartigem wirtschaftlichem Erfolg geführt, so der Springer-Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner

"Innovationskraft und Experimentierlust"

Bezos hatte Amazon 1994 gegründet und entwickelte das Online-Buchgeschäft zum weltweiten Einzelhändler, Marktplatz und Anbieter von Cloud-Diensten weiter. Mit dem Kauf der Washington Post 2013 habe er die Voraussetzungen geschaffen, um die Innovationskraft und Experimentierlust einer angeschlagenen Traditionsmarke wiederzubeleben und einer verunsicherten Branche neuen Mut zu geben, so Döpfner weiter.

Und auch seine ambitionierten Raumfahrtprojekte beweisen, dass er die Zukunft mit Leidenschaft mitgestalten will. Bei seinen Geschäftsmodellen treibt ihn seine Maxime, den Menschen als Kunden und Leser kompromisslos in den Mittelpunkt zu stellen.

Doch das ist leider nur eine Seite von Jeff Bezos. Die andere ist deutlich weniger glamourös: Für nicht wenige Kritiker ist vor allem das, wie sie es nennen, Ausbeutungsmodell gegenüber Amazon-Mitarbeitern "visionär". Gewerkschaftsfeindlichkeit, Lohndruck nach unten und permanente Überwachung sind da nur einige Stichworte. 

Amazon Deutschland sorgte wiederholt wegen der Arbeitsbedingungen in deutschen Versandzentren für Schlagzeilen. Ähnliche Kritik häufte sich auch über anderssprachige Ableger des Handelshauses, so unter anderem auch in Großbritannien. Im April 2017 entzündete sich Kritik an Prämien für seltene Krankschreibungen ganzer Arbeitsgruppen. Um im Amazon-System die höchstmögliche Prämie von zehn Prozent des monatlichen Bruttogehaltes zu bekommen, zählen nicht nur die Krankheitstage des einzelnen Mitarbeiters, sondern auch der Krankenstand des Teams.

In den Medien wurde zudem kritisiert, dass durch Kameras, die in den Spindräumen und über den Fließbändern der Logistikzentren angebracht sind, eine ständige Überwachung am Arbeitsplatz stattfinde oder zumindest bei den Arbeitnehmern der Eindruck einer solchen ständigen Überwachung erweckt werde, was zu einem rechtlich nicht zulässigen psychischen Anpassungsdruck führe.

1.018 Mitarbeiter unterschreiben gegen ver.di

Die Gewerkschaft ver.di fordert von Amazon höhere Löhne. Amazon orientiert sich diesbezüglich am Tarifvertrag der Logistikbranche. ver.di fordert jedoch tarifliche Regelungen, wie sie im Einzel- und Versandhandel üblich sind. Diesbezüglich gab es seit dem 9. April 2013 mehrfach Streikaktionen an unterschiedlichen Standorten. Weitere Streiks folgten im Mai und September 2014.

Ende Dezember 2013 wurde eine von 1.018 Mitarbeitern der Standorte Leipzig und Bad Hersfeld unterzeichnete Unterschriftenaktion veröffentlicht, in der sich die Unterzeichner "von den derzeitigen Zielen, Argumenten und Äußerungen […] ver.di[s]" distanzierten. Die Mitarbeiter betonten, dass das von der Gewerkschaft hervorgerufene "negative öffentliche Bild" sie "bis ins Privatleben" verfolge.

Ver.dis Darstellungen entsprächen "nicht der Realität und nicht unserem täglichen Arbeitsleben". ver.di bezeichnete die Aktion als dubios, Unterschriften seien unter Druck bzw. unter Aufsicht des Managements gemacht worden und ein Teil der Unterschriften stamme von inzwischen nicht mehr bei Amazon beschäftigten Saisonarbeitern.

New York Times veröffentlicht Enthüllungsartikel

Im Mai 2014 wurde Bezos beim Weltkongress des Internationalen Gewerkschaftsbundes zum "Schlechtesten Chef der Welt" gewählt. Am 15. August 2015 veröffentlichte die New York Times einen Artikel mit dem Titel "Inside Amazon: Wrestling Big Ideas in a Bruising Workplace". Die Zeitung kritisierte in dem Artikel Amazons Geschäftspraktiken und den vom Unternehmen kultivierten Führungsstil.

Doch für den Axel-Springer-Verlag, der auch geschäftlich mit Bezos verbandelt ist, bleibt Bezos offenbar trotzdem ein Vorbild, das man mit einer Auszeichnung ehren sollte. Die Organisation "makeamazonpay.org" hingegen hat zu Protestaktionen gegen die Preisverleihung aufgerufen.