"In Dubai vom Vater zum Ertrinken verdammt" - Medien verbreiten 19 Jahre alte Agentur-Meldung

Ein Vater in Dubai hat seine Tochter im Meer ertrinken lassen, damit diese nicht durch die Berührung des Rettungsschwimmers "entehrt" wird. Der Fall sorgte in den vergangenen Tagen für allerlei Empörung und auch anti-muslimische Hetze. Das Problem: Die Meldung, die von der Nachrichten-Agentur AFP in die Welt gesetzt wurde und sich rasant im deutschen Mainstream verbreitete, ist bereits 19 Jahre alt. Ein prägnantes Beispiel für unkritische Übernahme von Agentur-Meldungen.
Wie der Springer-kritische BILDblog nun zusammenfasst, lässt sich an der Geschichte eines Vaters aus Dubai, der seine Tochter im Meer ertrinken lies, wieder einmal sehr anschaulich die Logik medialer Realitätsbildung ablesen. Ein Mann in Dubai wollte nicht, dass seine 20-jährige Tochter durch die Berührung eines Rettungsschwimmers "entehrt" wird und lies sein Kind daher sehenden Auges im Meer ertrinken. Die tragische Meldung an sich ist nicht falsch, jedoch - und diese Information ging bei der schnellen Weitergabe der Nachricht in den vom Sommerloch geplagten Medien unter - ereignete sich der Vorfall vor 19 Jahren. Bis heute unkorrigiert meldete die Geschichte zunächst die Nachrichtenagentur AFP, die sich wiederum auf das Internetportal Emirates 24/7 beruft. Von AFP fand die Meldung dann reißende Verbreitung im deutschsprachigen Blätterwald. Neben stern.de berichteten auch welt.de, der Berliner Kurier, Focus online und zahlreiche weitere Newsangebote. Erst eine Recherche des britischen Guardian deckte auf, dass der Vorfall alles andere als aktuell ist und sich bereits im Jahre 1996 ereignete, was die Polizei in Dubai mittlerweile auch bestätigte. Trotz alledem erregt die Nachricht bei vielen Kommentatoren weiterhin die Gemüter, denn viele Nachrichtenseiten verzichten entweder ganz auf eine Richtigstellung oder löschen die Meldung lediglich kommentarlos. BILDblog dokumentiert zahlreiche Leser-Kommentare, in denen sich die Verfasser offenbar in ihren Ressentiments gegen Muslime bestätigt sehen. Das Spektrum reicht von "kranke Scheißreligion" bis hin zu Kastrationswünschen und Aufrufen zur "Notschlachtung" - eine durchaus fragwürdige Art den vorgeblich eigenen Humanismus zu kundzutun. Der Fall zeigt abermals: Vorurteile gepaart mit unsauberer Recherche schaffen Feindbilder und entsprechende Stimmungen. Fehler können im Redaktionsalltag überall geschehen, doch sollten - gerade in Zeiten der rasanten digitalen Verbreitung von Informationen - Gegendarstellungen kein Tabu sein. Gerade wenn fälschlich verbreitete Meldungen Hetze und Gewaltaufrufe hervorrufen. In den deutschen Medien zieht man es allerdings offenbar vor, derartige Vorfälle schnell in einen Mantel des Schweigens zu hüllen. Aber auch das gelingt im digitalen Zeitalter immer weniger.