"Jeder dritte Euro, den der Staat 2026 ausgibt, ist gepumpt", so die plakative Zusammenfassung der Bild-Redaktion zur gestrigen Vorstellung des Jahresgutachtens des Sachverständigenrates Wirtschaft im Berliner Kanzleramt. Laut ARD-Tagesschau ermahnen die Sachverständigen die Bundesregierung, dass sie die "Chancen nicht verspielen sollte", dabei jedoch erkennen würden, dass sich die Zeichen demnach "von negativ auf positiv drehen". Bundeskanzler Merz erklärte vor Journalisten im Anschluss, dass die Große Koalition "darum bemüht ist, die wirtschaftliche Lage durchgreifend zu verbessern". Seine Kritik lautet zum Status quo im Land, dass "wir in den letzten Jahren zu stark von der Substanz gelebt haben" und dass die "Reserven unserer Volkswirtschaft jetzt aufgebraucht sind".
"Das Jahresgutachten des Sachverständigenrats gerät zur Klatsche für Schwarz-Rot", so die Einschätzung der Spiegel-Redaktion auf die gestrige Vorstellung des jüngsten Berichts der sogenannten "Wirtschaftsweisen" (Bezahlschranke). So widerspreche der Sachverständigenrat der Aussage des Bundeswirtschaftsministeriums von Anfang Oktober, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2026 "um 1,3 Prozent wachsen werde", so Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Der Spiegel-Artikel erklärt dazu:
"Der Sachverständigenrat hält das für viel zu optimistisch: Er geht von nur 0,9 Prozent aus. Sein Fazit: 'Deutschland befindet sich weiterhin in einer Schwächephase'."
Die Tagesschau-Redaktion erkennt ebenfalls, dass sich das neue Jahresgutachten "auf vielen Seiten wie eine Klatsche für die Schuldenpolitik der schwarz-roten Bundesregierung liest", um weiter auszuführen:
"Hatten die sogenannten Wirtschaftsweisen noch im Frühjahr auf die Chancen des schuldenfinanzierten Finanzpakets verwiesen, zeigen sie sich nun enttäuscht: Weniger als die Hälfte der Ausgaben aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität lasse sich als 'zusätzlich' klassifizieren. Das habe Folgen – fürs Wachstum und für den Anstieg der Schuldenquote."
Bundeskanzler Merz präsentierte am Tag seines 70. Geburtstags im Kanzleramt seine Einschätzung der Fakten, um den anwesenden Pressevertretern zu erklären:
"Wir haben in den letzten Jahren zu stark von der Substanz gelebt. Diese Reserven unserer Volkswirtschaft sind jetzt aufgebraucht. Deswegen haben wir gemeinsam ein Ziel: Wir wollen den Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich fit für die Zukunft machen, und zwar in einem sich dramatisch verändernden globalen Umfeld. Die Investitionsbedingungen für unsere Unternehmen sollen verbessert werden."
Es folgten bekannte Phrasen von Regierungsmaßnahmen zu verabschiedeten Investitionsprogrammen, Plänen zur "konsequenten und sukzessiven" Senkung von Körperschaftsteuersätzen sowie "gezielten Abschreibungsanreizen für Investitionen in Maschinenanlagen". Der Kanzler sei sich zudem sicher, dass die Regierung "auch die richtigen Impulse in die Digitalisierung gesetzt" habe. Der Bild-Artikel zählt diesbezüglich nüchtern auf:
- 100.000 Industrie-Jobs sind in den letzten 12 Monaten weggefallen, in vielen Branchen drohen weitere Massen-Entlassungen.
- Die deutsche Wirtschaft stagniert 2025 nach zwei Jahren Rezession (0,2 Prozent Wachstum).
- Für 2026 rechnen die Experten mit einem Wachstum von 0,9 Prozent. Wirtschaftsweise Prof. Veronika Grimm gegenüber Bild: 'Von den 0,9 Prozent sind 0,3 Punkte auf einen Kalendereffekt zurückzuführen, weil 2026 mehr Arbeitstage hat. Weitere 0,3 Punkte sind bloß ein Übertrag aus dem Vorjahr'."
Eine weitere Ankündigung seitens Merz lautete in seiner Erklärung zum Thema einer beabsichtigten "Reform der Sozialabgaben":
"Viele Vorschläge werden seit Jahren diskutiert, aber wir wollen sie eben einmal im Gesamtzusammenhang für unseren Sozialstaat aufstellen. Deswegen werden wir das jetzt ganz konsequent auf den Weg bringen und im nächsten Jahr umsetzen."
Es gab eine abschließende Nullwerterklärung mit dem Inhalt, dass die Regierung "mit dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaneutralität bereits langfristig und verlässlich Mittel bereitgestellt hat, um den Sanierungsstau im öffentlichen Bereich aufzulösen".
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