Berlin: Bahnhersteller Stadler in Schwierigkeiten – Suche nach Krisenlösung läuft

Das Berliner Werk des Bahnherstellers Stadler steckt in Schwierigkeiten. Mangelnde Auslastung, hohe Kosten für Material und Energie haben zur Krise beigetragen. Nun suchen Unternehmensleitung und Gewerkschaft nach Lösungen. Beide Seiten scheinen kompromissbereit zu sein.

Das Management des zum schweizerischen Schienenfahrzeughersteller Stadler gehörenden Werks in Berlin-Pankow hat sich am vergangenen Montag in einer Betriebsversammlung an die Beschäftigten von Stadler Deutschland gewandt. Die Lage für die deutsche Niederlassung ist offenbar ernst. Im Jahr 2000 hatte das Schweizer Unternehmen das Werk in Pankow von der damals noch bestehenden Adtranz übernommen und ausgebaut. Nun müssen offenbar einschneidende Maßnahmen ergriffen werden, um den Standort zu retten.

Perspektive der Beschäftigten

Im Gespräch mit der Berliner Zeitung (BLZ) erläuterte Jan Otto, Erster Bevollmächtigter der Industriegewerkschaft (IG) Metall in Berlin, die Situation aus seiner Sicht.

Das Unternehmen erwäge, zur Lösung der Krise Stellen zu streichen und Teile der Produktion in Berlin zu schließen. Darüber wollte der Gewerkschafter jedoch nicht sprechen. Auf der Betriebsversammlung am Montag hatten der Vorstandschef Jure Mikolčić und Jörg Nuttelmann, der CEO des Werks Pankow, ein Struktur- und Effizienzprogramm in Aussicht gestellt – und die Beschäftigten um Unterstützung gebeten. Über die Höhe der aus ihrer Sicht notwendigen Einsparungen hätte die Unternehmensseite nichts mitgeteilt.

Als einen Beitrag zur Krisenbewältigung habe Stadler jedoch vorgeschlagen, dass die Beschäftigten auf einen Teil ihres Lohns oder Gehalts verzichten. Außerdem könnten Arbeits- und Pausenregelungen geändert werden, auch Kürzungen bei Zuschlägen sind wohl im Gespräch – zum Missfallen der Gewerkschafter. Ein Stellenabbau solle jedoch nach Möglichkeit vermieden werden, wie Otto gegenüber der BLZ offenbar durchblicken ließ.

Lage aus Sicht von Stadler

Der Vorstandsvorsitzende Mikolčić hatte zur Lage erklärt:

"Nach wie vor leiden wir unter den gravierenden Folgen des Zusammenbruchs der Lieferketten infolge der Pandemie, dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und den daraus resultierenden Preissteigerungen für Energie und Rohmaterial. Die daraus folgende Inflation hat zu höheren Gehältern geführt. Um Stadler am Industriestandort Deutschland nachhaltig in der Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, müssen wir jetzt einschneidende Maßnahmen beschließen und schnell umsetzen."

Wie der IG-Metall-Bevollmächtigte Otto gegenüber der BLZ erklärte, habe bei Stadler eine gut besuchte Kundgebung stattgefunden, an der etwa 1.200 Beschäftigte teilnahmen. Die Gewerkschaft sei mobilisierungsfähig. Bis zu Freitag dieser Woche wollte man die Punkte Stellenabbau und Teilstandortschließung vom Tisch haben. Man werde sich auf die Bereiche Standort- und Beschäftigungssicherungen konzentrieren.

Einigung möglich?

Nichtsdestotrotz kamen anerkennende Worte des IG-Metallers für den Stadler-Chef:

"Ich schätze Jure Mikolčić, weil er anders als manche anderen Akteure in der Industrie mit offenen Karten spielt. Er und die anderen Stadler-Chefs waren während der Betriebsversammlung sehr deutlich. Danach wussten die Kollegen: Wenn wir uns nicht bewegen, könnten einige von uns den Job verlieren."

Mindestens teilweise kann Otto der Argumentation Stadlers folgen:

"Lieferkettenprobleme, die während der Corona-Pandemie und nach dem russischen Angriff auf die Ukraine entstanden sind, belasten die gesamte deutsche Wirtschaft."

Es komme vor, dass über Monate hinweg bestimmte Komponenten nicht beschafft werden könnten, manchmal handele es sich nur um Kleinteile wie Schrauben. "Es ist absurd", so Otto.

Die aktuellen Krisenmeldungen bei Stadler kommen nicht ganz aus heiterem Himmel. Bereits Anfang dieses Jahres sei bei Stadler von "Restrukturierung" die Rede gewesen. Allerdings sei die "Vehemenz", mit der das Unternehmen nun vorgehe, doch etwas überraschend, so Otto.

Mehr zum ThemaDas Ergebnis der Bundestagswahl: Mit Volldampf gegen den Eisberg