Von Felicitas Rabe
Am Wochenende trafen sich Vertreter mehrerer nordrhein-westfälischer Städtegruppen des Werteunion e. V., um die Entwicklung der Werteunion nach der Parteigründung zu diskutieren. Auch unter den Mitgliedern der Werteunion-Stammtische in Nordrhein-Westfalen rumorte der Ärger über die Rede des Parteigründers Dr. Hans-Georg Maaßen und über den damit in einigen Augen verunglückten Parteistart. Vor diesem Hintergrund versammelten sich am Samstag auf dem Innenhof des sauerländischen Aluminiumproduzenten Emil Turck GmbH & Cie.KG rund 25 Vertreter verschiedener Werteunion-Basisgruppen aus Nordrhein-Westfalen, um sich über die Situation in der neu gegründeten Partei auszutauschen.
Die Werteunion wurde am 17. Februar bei einer Versammlung auf einem Schiff auf dem Rhein bei Bonn gegründet. An diesem symbolträchtigen Ort, wolle der Parteigründer und -vorsitzende Maaßen an die frühere Bonner Republik anknüpfen, berichtete der Westdeutsche Rundfunk (WDR) im Februar.
Dazu erklärte der ehemalige Verfassungschutzchef laut dem WDR, man wolle die Werte der alten CDU wieder auf die Probleme von heute anwenden: "Wir wollen einfach zurück in die Zukunft. Die Zukunft kann nur wertegebunden sein, indem wir die Werte, die die alte Bundesrepublik stark gemacht haben, die alte CDU stark gemacht haben, wieder nutzen als Mittel, als Möglichkeiten, die Probleme von heute und vor allem von morgen zu bewältigen."
Noch in diesem September will die Werteunion an den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg teilnehmen. In Bezug auf potenzielle Koalitionspartner wolle man sich als "gesprächsbereit in alle politischen Richtungen" zeigen, hatte Maaßen vor der Parteigründung versprochen. Im Januar hatte er angekündigt, dass die zukünftige Partei keine "Brandmauern" pflegen wolle, auch nicht gegenüber der AfD.
Maaßens Rede am Tag der Parteigründung sorgte dann bei vielen Vereinsmitgliedern der Werteunion – bis dato war sie ja nur ein Verein gewesen – für Irritation und bei einigen auch regelrecht für Empörung. Dabei habe der Jurist entgegen seiner bisherigen Versprechen die CDU zum favorisierten Koalitionspartner erklärt. Außerdem würden nicht alle Parteieintrittsanträge sofort genehmigt – das betreffe auch langjährige Mitglieder des Vereins Werteunion. Infolge dieser Aussagen oder zumindest in kurzem Zeitabstand dazu verließen die beiden einflussreichen Mitglieder Professor Max Otte und der Unternehmensberater Markus Krall den Verein Werteunion und kehrten der neuen Partei von vornherein den Rücken zu.
Die ganze Aufregung und Diskussion nach seiner Gründungsrede, die ostentative Abkehr bekannter Vereinsmitglieder und die Aussagen eines ehemals mit der Öffentlichkeitsarbeit des Vereins beauftragten Journalisten hat der neuen Partei gleich zu Beginn geschadet, erklärte Maaßen im Interview mit dem Journalisten Boris Reitschuster am 27. März.
Stellungnahmen von Werteunion Mitgliedern bei der Versammlung im Sauerland
Nach der Begrüßung durch den Gastgeber und Familienunternehmer Axel Turck hielt der langjährige Unternehmer und Betreiber der Nachrichtensendung Hallo Meinung Peter Weber ein Eingangsreferat über den Hintergrund des Konflikts und Lösungsansätze. Weber räumte ein, dass die Parteigründung "nicht so glücklich" verlaufen sei. Es seien Fehler gemacht worden. Allerdings sei man aktuell auch besonders sensibel in Bezug auf parteiinterne Konflikte. So eine Stimmung führe ganz schnell zu Distanzierungen und Diffamierungen. Dabei schätze er den Parteigründer und Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Thüringen Maaßen persönlich sehr. Grundsätzlich halte dieser sein Wort, betonte der Produzent von Hallo Meinung.
Vor allem könne man dieses Land nicht alternativlos den Ideologen überlassen. Weber kam dann auf seine aktuellen Vorschläge hinsichtlich der Werteunion zu sprechen. Dazu habe er sich zuletzt auch mit Dr. Maaßen verabredet und verständigt. Er habe dem Parteichef vermitteln wollen, dass die Menschen, die den Förderverein jahrelang mit aufgebaut hatten, nun auch in der Partei von Anfang an eine Rolle spielen sollten. Dementsprechend dürfe es "keine Kaderpartei" geben, sondern eine Partei mit "basisdemokratischen Beschlüssen". Darüber hinaus brauche man Transparenz über alle Entscheidungen.
Wichtigstes Ziel: Die politische Veränderung in Deutschland
Gleichzeitig forderte Weber die Vereins- und oder Parteimitglieder auf, auf persönliche Eitelkeiten zu verzichten und gegenseitige Diffamierungen sein zu lassen. Man dürfe nie das wichtigste Ziel aus den Augen verlieren: die politische Veränderung in diesem Land. Schließlich kämen Arbeitsplätze, die einmal weg seien, nicht so schnell zurück.
Als Nächstes sprach der Unternehmer Georg Rust, der sich bis 2019 jahrelang im Aufbau der AfD engagiert hatte. Nach seiner Einschätzung hat Maaßen bei seinen Entscheidungen die Basis der Vereinsmitglieder nicht mitgenommen. Dennoch müsse die Partei sich jetzt sputen, um die Landes-, Kreis- und Kommunalverbände noch rechtzeitig vor den Landtagswahlen vernünftig aufzustellen. Das sei aber alles noch gut zu schaffen, einschließlich der Ausarbeitung jeweiliger Satzungen und Wahlprogramme.
Anschließend fragte der Koordinator des Werteunion-Stammtisches Remscheid-Solingen-Wupperal Peter Fecht die anwesenden Kommunalgruppenvertreter, wessen Antrag auf Parteimitgliedschaft schon angenommen worden sei. Es meldeten sich sieben Personen. Mit sieben Leuten können man doch schon einen NRW-Landesverband gründen, freute sich Fecht. Auch für ihn schien es neben den Anfangsquerelen nun das Wichtigste zu sein, in die Gänge zu kommen. Um die Menschen im Land mit den Anliegen und Vorhaben der neuen Partei zu erreichen, müsse man aber auch ganz schnell Kreisverbände und Strukturen auf Gemeindeebene schaffen. Das seien jedenfalls seine Erfahrungen nach 20 Jahren Wahlkampf in der CDU. Der frühere Christdemokrat erklärte: "Nur die Präsenz vor Ort erlaubt es uns, dass wir dauerhafte Stabilität erreichen."
Werteunion sollte Aufarbeitung der Corona-Politik in der CDU fordern
Turck unterstütze zwar die Anliegen der Werteunion, sei sich aber noch nicht sicher, ob er der neuen Partei beitreten werde, bekannte der Gastgeber. Seit 2021 sei er Gründungsmitglied der Partei DieBasis und engagiere sich aktuell bei der Europawahl für diese Partei. Sollte er bei der Werteunion einsteigen, wäre ihm die Aufarbeitung der Rolle der CDU bei der Corona-Politik ein vorrangiges Anliegen – die verantwortlichen Akteure müssten vor Gericht gestellt werden. Turcks Engagement in der Werteunion setze auch voraus, dass die Position der neuen konservativen Partei in Bezug auf die Kriege in der Ukraine bzw. im Gazastreifen eindeutig ist: Die Kriege und die Waffenlieferungen müssten beendet werden.
Thomas Fieberg engagierte sich im Verein Werteunion bislang in der Vernetzung der Regionalgruppen. Auf seine Initiative vernetzten sich beim virtuellen Stammtisch inzwischen Werteunion-Mitglieder aus ganz Deutschland. Seiner Meinung nach gebührt Maaßen für seine Aufbauleistung der Werteunion hohe Anerkennung. Warum der Anfang der Partei im März so holprig war, sei ihm noch nicht ganz klar geworden. Er plädiere aber ganz klar dafür, dass die Gründungsmitglieder des Vereins einen hohen Stellenwert bei der Parteigründung erfahren. Durch ihre Vorarbeit hätten sie die Parteigründung erst ermöglicht, so Fieberg.
Insgesamt beriefen sich alle Redner auf die Ziele der Werteunion: eine politische Veränderung und einen politischen Neuanfang in Deutschland. Dass dies mehr denn je notwendig ist, war bei allen Diskussionsteilnehmern unstrittig. In den Gesprächen nach den Vorträgen konnte man den Ärger über den Parteistart bei einigen Anwesenden heraushören. Doch schien doch der Pragmatismus deutscher Mittelständler angesichts der kurzen Zeitspanne bis zu den Landtagswahlen die Oberhand zu gewinnen. So drehten sich die Unterhaltungen auch um die Dinge, die bis zu den Wahlen noch zu erledigen sind. Es gab auch Teilnehmer, die es bedauerten, dass man Maaßen missverstanden und aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben habe.
Mehr zum Thema – Werteunion: Unmittelbar nach Gründung der neuen Partei eskaliert der Richtungsstreit