Von Susan Bonath
Wohnraummangel lässt die Mieten in Deutschland explodieren. Das macht viele Menschen arm und Immobilienkonzerne reich. Dies ist offenbar das Ziel der Berliner Politik. Denn statt den Bau bezahlbarer Unterkünfte voranzutreiben, bezuschusst der Staat lieber Wuchermieten durch Sozialleistungen an Menschen, die sonst obdachlos würden.
Das ergab eine neue Studie des Pestel-Instituts in Hannover. Das Bündnis "Soziales Wohnen", zu dem unter anderem der Deutsche Mieterbund, die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und die Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie gehören, hatte diese beauftragt und am Dienstag vorgestellt.
Sozialstaat sichert Vermieter-Profite
Die Forscher bescheinigen Bund und Ländern darin, den Bau von bezahlbaren Unterkünften fortgesetzt massiv zu vernachlässigen. Dadurch sei ein "dramatischer Mangel an sozialem Wohnraum in Deutschland" entstanden. Bundesweit fehlten mittlerweile mehr als 910.000 solcher Bleiben. Studienleiter Matthias Günther vom Pestel-Institut mahnte, die Förderung horrender Mieten über Sozialleistungen diene mehr den Profiten der Immobilienkonzerne als dem Gemeinwohl. Er erklärte:
"Um bedürftigen Haushalten das Wohnen überhaupt noch zu ermöglichen ist der Staat mittlerweile gezwungen, stetig steigende Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt zu akzeptieren."
Oft müsse der Staat dabei regelrechte Wuchermieten bezuschussen, die deutlich über dem bisherigen Durchschnitt lägen. Denn es mangele vielerorts an Alternativen. Günther gab zu bedenken:
"Dadurch sind die notwendigen staatlichen Ausgaben für das Wohngeld und für die Kosten der Unterkunft geradezu explodiert. Am Ende profitieren davon allerdings vor allem die Vermieter."
Um Menschen nicht obdachlos zu machen, würden beispielsweise Münchner Jobcenter inzwischen Quadratmeterpreise von bis zu 19,20 Euro akzeptieren müssen, was bereits 50 Prozent über den Durchschnittspreisen liege. Allein in der bayrischen Landeshauptstadt zahle der Staat damit "eine Millionensumme an Mehr-Miete".
Staatliches Missmanagement
Der sehr konservativen Berechnung der Studienautoren zufolge gab der deutsche Staat vergangenes Jahr erstmals mehr als 20 Milliarden Euro für Mietzuschüsse an Bedürftige bis hinein in die Mittelschicht aus. Dazu gehören das Wohngeld und die Unterkunftskosten beim Bürgergeld, bei der Sozialhilfe und der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung. Für den sozialen Wohnungsbau hingegen flossen bundesweit nicht einmal 2,5 Milliarden Euro.
Anstatt das Wohnen also bezahlbar für alle zu machen, fördert die Politik die zusätzliche Bereicherung von Privatiers durch mit Sozialleistungen aufstockte Wuchermieten. Vor allem in Gegenden mit angespannten Wohnungsmärkten nutzten Immobilienkonzerne dies, um immer weiter an der Preisspirale zu drehen und ihre Profite zu steigern, so das Bündnis. Studienleiter Günther merkte hierzu an:
"Die Sozialausgaben fürs Wohnen sind damit acht mal so hoch wie die Förderung für den Neubau von Sozialwohnungen. Das ist ein deutliches Missverhältnis."
Vor allem der Bundespolitik in Berlin wirft er vor, sie habe "seit Jahrzehnten ein Missmanagement betrieben." Durch das Herunterfahren des Sozialwohnungsbaus auf ein Minimum habe sie die drastisch steigenden Ausgaben für die soziale Abfederung geradezu provoziert, sagte Günther. Dem sei nur durch hohe staatliche Investitionen in bezahlbaren Wohnraum beizukommen.
Bündnis fordert Sondervermögen
Das Bündnis "Soziales Wohnen" fordert nun für den sozialen Wohnungsbau, was für den Militärhaushalt auch möglich war: Die Politik solle umgehend eine Art Sondervermögen von 50 Milliarden Euro – halb so viel wie für die Bundeswehr – dafür bereitstellen. Dies sowie das Aussetzen der Schuldenbremse für diesen Posten sei nötig, um dem von der Ampel-Koalition verkündeten Ziel, jährlich 100.000 Sozialwohnungen zu schaffen, "wenigstens ein Stück näherzukommen."
Für die Vergabe dieser preisgebundenen Wohnungen müsse außerdem eine Sozialquote festgelegt werden, heißt es weiter. Überwachen sollten dies kommunale Härtefallkommissionen. Dadurch hätten benachteiligte Menschen, insbesondere mit Behinderung, "endlich wieder eine Chance auf dem Wohnungsmarkt".
100.000 Wohnungen versprochen, nur 42 gebaut
Wie weit entfernt die Ampel-Regierung von ihrem Versprechen bei Amtsantritt vor gut zwei Jahren ist, zeigte beispielsweise ihre Antwort vom Oktober auf eine Anfrage der Linken. Demnach ließ der Bund in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 gerade einmal 42 eigene Wohnungen fertigstellen.
Dabei ist der wachsende Mangel an bezahlbarem Wohnraum kein neues Problem in Deutschland. Bereits 2018 rief die damalige Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD deswegen eine "Wohnraum-Offensive" aus. Politiker fantasierten damals auf sogenannten "Baugipfeln" sogar von 400.000 neuen Unterkünften, für die man jährlich sorgen wolle. Bewerkstelligen sollte einen Teil davon die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA). Tatsächlich habe diese seither aber nur 174 neue Wohnungen geschaffen.
Passiert ist also so gut wie nichts. Ignoranz ist angesagt in der Regierung, während die Wohnungsnot zunimmt und die Mieten weiter in die Höhe schießen. Nur die Immobilienhaie freuen sich, denn für sie sprudeln die Profite – gerne auch "sozial" gefördert.
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