Von Tom J. Wellbrock
Nein, die Streichung für den "Agrardiesel" könne die Bundesregierung nicht zurücknehmen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) säuselte in seinem jüngsten Video etwas von Fairness und kam dann auf den eigentlichen Punkt. Die Bundesregierung hatte ja einen großartigen Haushalt, in dem Geld für alle vorhanden gewesen sei. Aber dann sei die Union um die Ecke gekommen, um vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen. Das Ziel der bösen Unionisten: die Bundesregierung zu zwingen, ganz viel Geld einzusparen. Unerhört!
Damit ich nicht falsch verstanden werde: Wer glaubt, dass die Union vor das Bundesverfassungsgericht gezogen ist, um der Verfassung die Treue zu halten, glaubt wahrscheinlich auch, dass alle Volksvertreter das Volk vertreten. Natürlich war das Ziel der Klage, die "Ampel" möglichst dumm aussehen zu lassen. Diese niederen Beweggründe ändern aber nichts an der Tatsache, dass Habeck, Lindner und Scholz bewusst einen Verfassungsbruch riskiert haben, als sie auf ihre spezielle Weise mit Geld um sich warfen.
Kleinlaut schreibt zwar die Bundesregierung im Entwurf zu den Sparplänen beim Agrardiesel:
"Dies stellt insbesondere einen Beitrag zum Abbau klimaschädlicher Subventionen dar."
Doch zu hoch wird dieser Ansatz aus folgenden Gründen nicht gehängt.
Agrardiesel und Klimaschutz? Kein Problem!
Anders als im Entwurfspapier der Bundesregierung erwähnte Habeck in seiner Rede den Klimaschutz mit keinem Wort. Das wäre auch ziemlich dumm gewesen, also noch dümmer, als die Rede ohnehin schon war. Denn allein der Abbau von Kobalt (Annalena, du weißt, was gemeint ist, oder?) sorgt nicht nur für menschenverachtende Arbeitsbedingungen. Er zerstört auch die Umwelt in erschreckendem Maße, zu der übrigens auch Neugeborene zählen, die mit Missbildungen und Nervenschädigungen zur Welt kommen in Gebieten, wo Kobalt vorkommt und wo es abgebaut wird.
Und was hat das mit dem Agrardiesel zu tun? Eine ganze Menge, denn wenn Habeck sagt, die Subventionen müssten gestrichen werden, muss in der Folge auch eine brauchbare Alternative für den Antrieb landwirtschaftlicher Maschinen auf den Tisch. Doch der Tisch bleibt bis auf Weiteres so leer wie die Kassen der Berliner Verfassungsfeinde. Den Bauern werden also gleich zwei Probleme aufgehalst, die die Bundesregierung zu verantworten oder zumindest bisher ignoriert hat:
1. Der verfassungswidrige Bundeshaushalt der Regierung.
2. Das Fehlen alternativer Antriebe für landwirtschaftliche Maschinen und Fahrzeuge.
Selbst wenn man die Problematik der Arbeitsbedingungen und der geschundenen Umwelt beim Abbau von Kobalt & Co. einmal außer Acht lässt – ein Traktor auf der Basis von Elektroantrieb ist lediglich ein feuchter Traum grüner Umweltfantasien. Man mag einen Dacia mit elektrischer Energie fahren können (zumindest, wenn es draußen nicht zu kalt ist), doch ein Traktor hat ganz andere Ansprüche. Er ist also auf Dieselkraftstoff angewiesen.
Zwar wird fieberhaft von großen und kleineren Unternehmen daran gearbeitet, E-Traktoren marktreif zu machen. Doch für den Alltag von Bauern reichen die Entwicklungen noch längst nicht aus. Die Subventionen für Agrardiesel werden also sozusagen jetzt ganz offiziell nicht aus Umwelt- oder Klimaschutzüberlegungen gestrichen, sondern weil schlicht "die Kohle" fehlt. Und die fehlt – wir wissen es bereits – aufgrund einer Bundesregierung, die mit Verfassungsfeinden besetzt ist.
Bitte, bitte, nur ein kleines bisschen Klimaschutz!
Ein Traktor verbraucht auf 100 Kilometer rund 12 bis 15 Liter Diesel, abhängig vom Baujahr des Fahrzeugs und dem Tempo, mit dem der Traktor unterwegs ist. Laut merkur.de (Stand: 2023) verbraucht ein "M1 Abrams Panzer auf 100 Kilometern angeblich bis zu 700 Liter Treibstoff – der Leopard 2A6 dagegen rund 120 Liter."
Im Jahr 2012 rechnete die Tagesschau wie folgt:
"Beispiel Kampfpanzer Leopard 2: Verbrauch auf 100 Kilometern bis zu 530 Liter Diesel. Ein moderner Kampfjet verbrennt pro Stunde zwischen 2.000 und 6.000 Liter Kerosin."
Von der Belastung für die Umwelt und das Klima abgesehen, muss dieser Verbrauch finanziert werden. Komisch eigentlich, dass die Klima-Aktivisten von "Fridays for Future" und die grünen Gesinnungstäter in der Politik diese Verbrauche nie thematisieren, obwohl sie doch keine Raketenwissenschaft und leicht zugänglich sind.
Umwelt- und Klimaschutz haben offenbar natürliche Grenzen, die der Krieg und die Rüstungsindustrie vorgeben. So gesehen kommt die Klage der Union vor dem Verfassungsgericht der Bundesregierung eigentlich sogar sehr gelegen. Da das Klimaargument faktisch tot ist, solange weltweit Kriege unterstützt und finanziert werden, muss eben die Geldnot herhalten, um einen Großteil der (vor allem kleinen) Bauern in Existenznöte zu bringen.
Nepper, Schlepper, Bauernfänger
Aktuell (Stand: 9. Januar 2024) hält die Bundesregierung an der schrittweisen Streichung der Subventionen für Agrardiesel fest. Weitere "Baustellen" sind unter anderem auch die Ticketsteuer für Flugreisen und die ursprünglich geplante Kerosinsteuer. Letztere wird es aber nicht geben.
Dann sind auch noch die unsäglichen "Schmarotzer" beim Bürgergeld dran, wie das Handelsblatt schreibt:
"Auch beim Bürgergeld sind Einsparungen geplant. Trotz Kritik vom linken SPD-Flügel und von den Grünen will die Bundesregierung daran festhalten, 'Totalverweigerern' von Arbeitsangeboten das Bürgergeld bis zu zwei Monate zu streichen. 'Aus den Jobcentern gibt es Praxisberichte, dass einige wenige Beziehende von Bürgergeld zumutbare Arbeitsaufnahmen beharrlich verweigern und somit bewusst ihre Hilfebedürftigkeit aufrechterhalten beziehungsweise nicht vermindern', heißt es in der Formulierungshilfe."
Um die erzieherische Wirkung zu erhöhen, wird auch der "Bürgergeld-Bonus" wieder abgeschafft, obwohl die Tinte der Unterschriften auf dem Papier noch gar nicht richtig trocken ist. Der Bonus sollte Bürgergeld-Empfänger motivieren, an bestimmten Weiterbildungen teilzunehmen.
Die Bundesagentur für Arbeit muss ebenfalls in den sauren Sparapfel beißen. Die Zuwendungen sollen von 1,5 Milliarden Euro in den Jahren 2024 und 2025 auf 1,1 Milliarden Euro bis 2027 abgesenkt werden.
Der Zuschuss zur Rentenversicherung wird ebenfalls gesenkt, und zwar um 600 Millionen Euro in den kommenden Jahren.
Die einzelnen Sparmaßnahmen ergeben ein Potenzial von hier 445 Millionen Euro, dort 170 Millionen Euro, dann noch einmal 100 Millionen an der einen und 600 Millionen an der anderen Stelle. Genug, um die Bürger bluten und die Bundesregierung weiter an anderen Ausgaben festhalten zu lassen, so zum Beispiel an den Ausgaben für die Ukraine.
"Werte" kosten Geld
Aber halten wir uns nicht länger mit Peanuts auf, schließlich geht es um mehr. Mitte Dezember 2023 schrieb das RedaktionsNetzwerk Deutschland:
"Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der von Russland angegriffenen Ukraine in einer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel weitere und umfassende Hilfen zugesichert. 'Ich werde für eine nachhaltige, verlässliche Unterstützung der Ukraine eintreten, denn es geht um die Sicherheit Europas', sagte der Kanzler am Mittwoch im Bundestag. Zu den Hilfen zählten 8 Milliarden Euro für Waffenlieferung, Finanzhilfen für den ukrainischen Haushalt und voraussichtlich über 6 Milliarden Euro zur Unterstützung ukrainischer Geflüchteter hier in Deutschland."
Und wieder klafft ein Abgrund zwischen der Verantwortung für die Bürger Deutschlands auf der einen und der für Umwelt- und Klimaschutz auf der anderen Seite. Beides spielt schlicht keine Rolle, wenn es um Kriegstreiberei und Lobbyismus geht.
Wenn Scholz von der "Sicherheit Europas" spricht, fragt sich der gemeine Bürger mit gesundem Menschenverstand im besten Fall: Wer gefährdet denn eigentlich diese so oft zitierte "Sicherheit Europas"? Wir sollen glauben, dass Putin Eroberungspläne für Berlin, Brüssel und Paris hat. Doch einer Überprüfung würde diese steile und gleichermaßen völlig hanebüchene These nicht standhalten.
Leider sind den derzeit Protestierenden diese Zusammenhänge nicht klar. Bei allem Verständnis für den Protest der Bauern und anderer Branchen wäre allen geholfen, wenn sie sich nicht nur auf die ausgewählten Sparmaßnahmen fokussieren, sondern den Blick etwas weiten würden. Natürlich geht es vielen Menschen an den Kragen, und selbstverständlich sind die Wut und der Ärger darüber nachvollziehbar.
Doch es geht eben nicht nur um eine neoliberale Politik der Ausbeutung der Menschen. Es geht um einen Kampf der Systeme gegeneinander: der USA und des Westens gegen Russland und China.
Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) formulierte es entlarvend ehrlich, als er sagte, Deutschland müsse "kriegstüchtiger" werden. Er sprach aus, was bei den derzeitigen Protesten nicht zur Sprache kommt: Deutschland befindet sich in einer Kriegswirtschaft. Der Unterschied zu vergangenen Zeiten ist lediglich der, dass die Bürger nicht an die Fließbänder zur Waffenproduktion gezwungen werden, sondern die machtvolle Rüstungsindustrie "nur" mit ihren Steuern finanzieren müssen.
Die gesamten Sparmaßnahmen, die oberflächlich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig werden ließen, wären ohnehin gekommen. Denn Kriege und "Werte" sind eine verdammt teure Angelegenheit. Es wäre gut und wichtig, wenn die nächste Protestwelle diese übergeordneten politischen Ziele erkennen und mit einbeziehen würde.
Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Texter, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.
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