Mahle-Chef: "Europa wird als Standort in Zukunft eine kleinere Rolle spielen"

Laut dem Geschäftsführer des Autozulieferers Mahle sind die aktuellen Schwankungen auf dem Markt für Elektroautos nur der Anfang dessen, was man im Laufe des kommenden Jahrzehnts erleben wird. Bis 2035 geht er für seine Industrie von einem Arbeitsplatzverlust von bis zu 40 Prozent aus.

Der Geschäftsführer des Stuttgarter Autozulieferers Mahle, Arnd Franz, will an der Produktion von Verbrennermotoren festhalten. Diese sollen laut EU-Gesetz ab dem Jahr 2035 verboten werden, um die Wirtschaft zu "dekarbonisieren". Im Interview mit der Springerzeitung Welt begründete Franz seine Forderung damit, dass E-Autos "aus Gründen der Risikoabwägung" nicht der einzige Weg zu einer umweltverträglichen Mobilität sein dürften.

So müsse man ebenso dafür sorgen, dass andere Antriebsformen nachhaltig werden. Wie in anderen Weltregionen auch, brauche es vielfältige Lösungen für die Dekarbonisierung, argumentiert Franz, wie "hocheffiziente Verbrenner, die mit nachhaltigen Kraftstoffen klimaneutral betrieben werden". Dass die EU bis 2035 eine komplette Industrie auf eine neue Technologie bringen wolle, sei hingegen "eine fast pharaonische Zielsetzung".

Das schwache Wachstum auf dem Markt für E-Autos erklärt Franz mit zahlreichen "Unsicherheiten", angefangen bei der Ladeinfrastruktur über die Verfügbarkeit und den Preis für "grünen" Strom bis hin zu den Kosten für die Neuanschaffung eines E-Autos. Die aktuellen Schwankungen seien nur der Anfang dessen, was wir im Laufe des kommenden Jahrzehnts erleben würden, betont Franz. Im Übrigen würden Konsumenten selbst entscheiden, welches Auto sie kaufen. Dies müsse nicht mit dem übereinstimmen, was die Politik vorschreiben will. Die EU-Kommission unterschätze, wie lange die Leute ihre Autos fahren.

Erwartungen an die Industrie sind "viel zu hoch"

Mahle selbst verdiene mit Komponenten für E-Autos kein Geld. Aktuell werde "fast nur" investiert, so Franz. Die verkauften Stückzahlen lägen "weit hinter den Erwartungen" und die Schwankungen seien "sehr hoch", was die Transformation noch anspruchsvoller mache, als sie von vornherein war. Von den viel zu hohen Erwartungen an die Industrie sei man aufgrund der "makroökonomischen Bedingungen" weit entfernt.

"Durch die Inflation haben die Leute weniger Geld in der Tasche und auch die Finanzierungskosten explodieren."

Gleichzeitig liege in Europa die Gesamtnachfrage unabhängig von der Antriebsart um 20 Prozent unter dem Niveau vor der Coronakrise. Bei Mahle gehe man zudem nicht davon aus, dass die Zahl der produzierten Fahrzeuge wieder an das frühere Niveau herankommen werde. Die Produktion werde daher verkleinert werden und Europa werde in Zukunft als Standort im globalen Maßstab eine kleinere Rolle spielen.

Eine Deindustrialisierung sieht Franz dennoch nicht auf Deutschland zukommen, zumindest nicht im Sinne einer "Technologie-Abwanderung". Zu einem Beschäftigungsabbau werde es aber sehr wahrscheinlich kommen.

Franz geht hier von bis zu 40 Prozent weniger Arbeitsplätzen in der Zulieferindustrie aus, da der Verbrennermotor wesentlich beschäftigungsintensiver sei als das Elektroauto. Daher rechne er nicht damit, dass Mahle seine aktuell 30.000 Mitarbeiter in Europa im Jahr 2035 noch haben werde – trotz steigenden Umsatzes. "Es werden deutlich weniger sein."

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