Der Kursanstieg beim deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall am heutigen Tag lag nicht nur an den für Rüstungsfirmen erfreulichen Aussichten im Nahen Osten. Rheinmetall gab bekannt, einen weiteren Auftrag zur Lieferung von Artilleriemunition für die Ukraine erhalten zu haben. Der Auftrag ist Teil des Rahmenvertrags mit der Bundeswehr.
Es handle sich um einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag, teilte das Unternehmen mit. Dafür würden noch in diesem Jahr mehrere zehntausend Schuss in die Ukraine geliefert, der Rest im kommenden Jahr (wäre die Zahl wirklich beeindruckend, würde sie genannt; so dürfte "mehrere" zwischen 20.000 und 30.000 bedeuten). Aus diesen Zahlen kann man ungefähr errechnen, was eine solche Artilleriegranate die deutschen Steuerzahler kosten dürfte. Ein "mittlerer dreistelliger Millionenbetrag" dürfte mehr als 350 Millionen Euro betragen, da darunter diese Bezeichnung unpassend wäre.
Wenn man berücksichtigt, dass die Leistung der gesamten US-amerikanischen Rüstungsindustrie derzeit bei 24.000 Artilleriegranaten im Monat liegt, die Produktionsstrecke bei Rheinmetall aber für die Bedürfnisse einer kleineren Armee ausgelegt ist, sprich, bestenfalls die Hälfte der US-Produktion erwartet werden kann (auch wenn Rheinmetall aufgrund seiner "flexiblen Trennwand" zwischen Maschinenbau und Rüstung leicht Personal vom ersten in den zweiten Bereich verschieben kann), könnte man einigermaßen verlässlich annehmen, dass dieser Betrag vermutlich maximal 100.000 dieser Granaten finanziert. Das ergibt einen Stückpreis von mindestens 3.500 Euro als absolute Untergrenze.
Diese teuren Gegenstände sind also dazu bestimmt, in der Ukraine in Rauch aufzugehen und in Splitter zu zerfallen. Die Bewohner des Donbass könnten die neue Produktion von Rheinmetall demnächst auf ihren Straßen und Plätzen wiederfinden.
Was Rheinmetall nicht meldet, ist, was geschieht, wenn diese Produkte in Ermangelung des Endkunden gar nicht mehr abgeliefert werden können. Es ist allerdings anzunehmen, dass dann eine entsprechende Bürgschaft des Bundes in Kraft tritt. Die Kosten für die deutschen Steuerzahler fallen also auf jeden Fall an.
Es ist übrigens überaus aufschlussreich, die Entwicklung des Kurses dieser Rüstungsfirma einmal über eine längere Zeitspanne hinweg zu betrachten. Im März 2020 hatte er gerade noch bei 50,50 Euro gelegen. Dann stieg er ab dem 22, Februar 2022 sprunghaft bis auf ein Maximum von 216 Euro, um dann im Oktober vergangenen Jahres wieder auf etwa 150 Euro zu fallen und anschließend passend zu den immer neuen "Hilfspaketen" für die Ukraine im März ein Maximum von 272 Euro zu erreichen. Seitdem oszilliert er zwischen 240 und 280 Euro.
Der Granatenvertrag und die Meldungen aus Israel hoben den Kurs wieder auf 255 Euro. Das bedeutet, selbst der untere Wert der derzeitigen Schwankung (240) ist immer noch das Zweieinhalbfache der nicht ganz 100 Euro, die diese Aktie lange Zeit wert war, aber das Fünffache des Tiefstwerts im Jahr 2020. Tatsächlich ist das gegenwärtige Kursniveau selbst inflationsbereinigt das höchste seit 1991; in diesem Zeitraum lag der Tiefpunkt im Jahr 2000 bei ganzen 6,90 Euro je Aktie.
Für Rheinmetall wahrhaft goldene Zeiten. Verständlich, dass Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die enge Verbindungen zu diesem Unternehmen pflegt, täglich weitere Waffenlieferungen fordert.
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