Von Felicitas Rabe
Am 10. August führte die Staatsgewalt in der Wohnung von Professor em. Dr. Rudolph Bauer eine Hausdurchsuchung durch. Dem emeritierten Sozialwissenschaftler und Künstler wurde vorgeworfen, er würde Volksverhetzung betreiben und verfassungsfeindliche Kennzeichen benutzen. Im Interview für RT sprach er am Dienstag über seine neue persönliche Erfahrung mit der deutschen Justiz und Polizei.
Überfall mit Schockwirkung am frühen Morgen
Mit bewaffneten Beamten aus der Staatsschutzabteilung der Bremer Landeskriminalpolizei sei morgens um 7:30 Uhr die Hausdurchsuchung in seiner Wohnung begonnen worden, berichtete der ehemalige Professor der Universität Bremen. Seine Frau und er seien erst kaum wach gewesen und durch diesen unangekündigten Überfall geschockt worden.
Man habe ihm als Nächstes einen dreiseitigen Untersuchungsbeschluss ohne Unterschrift ausgehändigt. Dann sei er aufgefordert worden, sich auf einen Platz zu setzen und das Dokument unter Aufsicht einer Beamtin zu lesen. Währenddessen habe der Rest der Truppe Zimmer für Zimmer die Wohnung durchsucht. Mit Schutzwesten und Pistolen ausgestattet – als sei er ein Schwerkrimineller – inspizierten die Staatsschützer Schränke und Schubladen und fotografierten seine Bücherregale. Diesem Vorgang durften weder er noch seine Frau beiwohnen. In solch einer Situation fühle man sich ohnmächtig.
Dabei sei es skandalös, ihm als Friedensaktivisten und Künstler zu unterstellen, er würde Volksverhetzung und Verharmlosung des Nationalsozialismus betreiben. Diese Anschuldigungen wären ungeheuerlich und angesichts seines langjährigen Engagements gegen Faschismus ein Skandal, empörte sich Bauer. So habe er beispielsweise ein dreibändiges Lexikon des Sozial- und Gesundheitswesens herausgegeben, mit vielen Stichwörtern, die über die Sozial- und Gesundheitspolitik im Faschismus aufklären und damit zur Aufarbeitung dieser Zeit beitragen.
"Irgendwo in den Hirnen dieser Menschen spukt eine bestimmte Vorstellung von Staatsfeinden", erklärte sich der Sozialwissenschaftler das Verhalten der Beamten in seiner Wohnung.
Am Ende hätten sie sein Smartphone konfisziert und mitgenommen. Darauf befänden sich neben sämtlichen Telefon- und Emailkontakten auch seine Daten zum Online-Telebanking. Dementsprechend habe er neben dem aktuellen Verlust der Kontakte auch seit drei Wochen seine Rechnungen nicht mehr bezahlen können.
Wie es zu den Anschuldigungen kam
Als Künstler habe er einen Instagram-Account – #Bauerrudolph – betrieben, auf dem er rund 1.500 seiner Bildmontagen präsentiert. Um seine Kritik an den deutschen Waffenlieferungen für den Ukraine-Krieg zum Ausdruck zu bringen, habe er auch zu diesem Thema Bilder veröffentlicht. Laut seinem Kenntnisstand habe sich ein ihm unbekannter "Informant" an die baden-württembergische Meldestelle für Hetze im Netz gewandt. Diese Person habe bei der süddeutschen Meldestelle mit dem Namen "Respekt" vier seiner Instagram-Bilder angezeigt. Bei drei von den "herausgefischten" Bildmontagen ginge es um den Krieg in der Ukraine.
Aus dem Hausdurchsuchungsbeschluss würde hervorgehen, dass neben Staatsanwaltschaft, Gericht und Landeskriminalamt auch bereits das Bundeskriminalamt in seine Strafverfolgung involviert worden sei. Im nächsten Schritt solle er zu einer Anhörung geladen werden. Diesbezüglich habe er nun auch einen Strafverteidiger engagiert. Für ihn stehe an vorderster Stelle die Öffentlichkeitsarbeit:
"Es muss Öffentlichkeit geschaffen werden – man darf angesichts solcher Übergriffe nicht hoffen, dass der Rechtsstaat funktioniert", erklärte der Künstler sein Hauptanliegen seit der Razzia.
Denn gerade das würden leider die vielen Hausdurchsuchungen der vergangenen Zeit belegen – bei Ärzten, Rechtsanwälten, einem Richter, Lehrern, Polizisten und Künstlern.
Worum es wirklich geht: Angriffe auf die Freiheit von Kunst und Wissenschaft
Einen 84-jährigen Mann am frühen Morgen mit einem bewaffneten Kommando zu überfallen, sei besonders infam. Dabei hätten Repräsentanten dieses Staates bei anderen Anlässen die Gruppe der Senioren zuletzt immer als zu schützende vulnerable Personen bezeichnet. Anlässlich der Razzia in seiner Wohnung könne man ja sehen, wie sie im Zweifelsfall mit älteren Menschen umgehen würden.
Zudem sei er als Wissenschaftler, Künstler, Friedensaktivist und Antifaschist eine öffentliche Person. Man versuche also, ihn als einen Menschen, dessen Leben und Wirken öffentlich bekannt sei, für ein angebliches Vergehen an den Pranger zu stellen, das er gar nicht begangen haben kann. Das hätte auch die Justiz mit wenig Aufwand recherchieren können. Die Verwendung seiner Bilder als Belege für eine Volksverhetzungsstraftat stelle einen Angriff auf die Freiheit der Kunst dar.
Grundsätzlich ginge es aber noch um mehr: "Indem man einen Professor auf diese Weise attackiert, attackiert man im Grunde ganz allgemein die Reputation von Professoren", warnt Bauer. Die Freiheit der Wissenschaft sei nicht mehr geschützt. Zuletzt hätten das außer ihm auch schon die Politikwissenschaftlerin Professor Ulrike Guérot und der Medienwissenschaftler Professor Michael Meyen erleben müssen.
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