Im Interview mit Tom Wellbrock streift der ehemalige SPD-Politiker und Gründer der Partei Die Linke, Oskar Lafontaine, zahlreiche Themenfelder der aktuellen Politik und räumt mit vielem auf, was in Deutschland für wahr gehalten wird, jedoch nicht den Fakten entspricht.
Da ist zunächst das Thema Ukraine. Die Position der Bundesregierung, die von vielen Deutschen geteilt wird, ist, dass die Ukraine von Russland brutal überfallen wurde, sich verteidigt und Deutschland zur Lieferung von Waffen daher moralisch verpflichtet sei. Die Ukraine verteidige westliche Werte, Demokratie und Freiheit gegen den russischen Autoritarismus. Wenn die Ukraine heute fällt, stehe der Russe morgen in Berlin – eine Floskel, die in deutschen Talkshows mantraartig wiederholt wird.
Lafontaine widerspricht dieser Sicht. Der Westen trägt für den Ukraine-Krieg eine Mitverantwortung, meint Lafontaine. Er gibt damit die Sicht auf den Konflikt wieder, die von einer großen Zahl von Ländern geteilt wird.
"Die Ukraine ist nur das Schlachtfeld. In der Ukraine kämpfen die USA gegen Russland", sagt Lafontaine.
Dass die Ukraine Deutschland nach dem Ende des Konflikts für all die gelieferten Waffen und die militärische Unterstützung dankbar sein wird, bezweifelt Wellbrock. Im Gegenteil. Die Ukraine wird Deutschland für die Zerstörung und das Leid der Ukrainer verantwortlich machen.
Lafontaine stützt diese These:
"Wer glaubt, mit Waffenlieferungen könne man den Konflikt beenden, müsse jetzt, nach über einem Jahr, darüber nachdenken, ob das der richtige Weg war."
Lafontaine rechnete zudem mit der Politik der Grünen ab. Deren Politik diene nicht Deutschland, was man an der Energiepolitik deutlich sehen könne. Sie verteuert deutsche Produkte und schädigt damit den Wirtschaftsstandort.
"Die Grünen sind in einem Ausmaß der US-Politik unterworfen, wie ich das niemals geahnt hätte. So lange die Grünen an der Regierung sind, werden US-Interessen umgesetzt."
Schließlich beleuchtet Lafontaine den Aspekt der außenpolitischen Doppelmoral Deutschlands. Deutsche Politiker fühlen sich seit einigen Jahren regelmäßig dazu berechtigt, sich unter Verweis auf die Menschenrechte in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen.
"Kein anderes Land hat die Menschenrechte so unendlich mit Füßen getreten wie die USA. Doch kein deutscher Politiker hat jemals in Washington die Menschenrechte angemahnt. Die Menschenrechte fallen deutschen Politikern immer nur ein, wenn sie in die andere Richtung fahren."
Besprochen wurden noch zahlreiche weitere Themen, etwa das grundlegende Versagen der deutschen Medien oder die Frage, wer für die Sprengung von Nord Stream verantwortlich ist.
Das Interview wirft damit auch ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass sich der öffentliche Diskurs von der Realität und den Fakten weitgehend entkoppelt hat. Lafontaines Einlassungen stellen den politischen Diskurs vom Kopf wieder auf die Füße. Man wünscht sich mehr davon.
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