Das Land und seine Menschen zeigen sich erschöpft nach den drei belastenden Corona-Jahren und einem mittlerweile chronischen Dauerstresszustand. Eine dringend benötigte Aufarbeitung dieser Gesellschaftskrise tut Not – im politischen Berlin wird sie jedoch weiterhin als störend und überflüssig empfunden.
Die Staatsanwaltschaft Neubrandenburg hat nun den eher kontroversen Schritt der Aufarbeitung beschlossen. Eine medial als "Pöbel-Attacke" bezeichnete Aktion auf den auch weiterhin anscheinend unantastbaren Medien-Darling jener Corona-Jahre, Charité-Institutsdirektor Christian Drosten, erfährt ein juristisches Nachspiel.
Worum ging es bei diesem Ereignis von vor knapp einem Jahr? Ein ursprünglich von Drosten länger geplanter Camping-Aufenthalt südlich der Müritz im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte fand ein zügiges Ende. Drei Dauercamper, zwei Frauen und ein Mann, erkannten den regierungsberatenden Virologen der Stunde und teilten ihm ihre konträren Meinungen hinsichtlich seines damaligen Handelns mit. So musste sich Drosten die Bezeichnung "Massenmörder" und "Transhumanist" gefallen lassen. Zudem warf ihm das Trio vor, "Kinder auf dem Gewissen zu haben".
Schlussendlich wusste sich der Spontancamper nicht anders "zu helfen", als die Polizei zu verständigen, um die seiner Meinung nach notwendige "Anzeige wegen Beleidigung und Verleumdung" zu erstatten. Die Polizei leitete ein Ermittlungsverfahren ein, welches nun nach elf Monaten Bearbeitung am Amtsgericht in Waren an der Müritz verhandelt werden soll.
Einem 48-jährigen Beschuldigten werden "Verleumdung, Beleidigung und versuchte Nötigung vorgeworfen", so ein Sprecher der Behörde am Mittwoch. Ihm, seiner Frau und der Bekannten werden zudem vorgeworfen, Drosten "öffentlich beleidigt zu haben". Das SPD-nahe RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) ergänzte dazu in der juristischen Realität des Jahres 2023:
"Drosten erlangte als Experte in der Corona-Pandemie bundesweit Bekanntheit, sah sich aber auch oft mit Anfeindungen konfrontiert."
Zudem soll der beschuldigte Mann laut einem Spiegel-Artikel Drosten fotografiert "und zwei Bilder des Virologen per Telegram in zwei Chatgruppen verbreitet haben". Weiter heißt es diesbezüglich:
"In einer der Chatgruppen waren laut den Ermittlern mehr als 70 Personen angemeldet, in der anderen gut 250. Die Staatsanwaltschaft sieht hier eine Verletzung des Kunsturheberrechtsgesetzes. Die 49-Jährige soll Drosten zudem ohne dessen Zustimmung gefilmt haben, was als Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes angeklagt ist."
Das "Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie" sieht dabei vor, dass Fotografien "nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden dürfen".
Zwei der Beschuldigten erstatteten im letzten Jahr wiederum Gegenanzeige wegen vermeintlicher Beleidigung seitens Drostens. Das Verfahren gegen den "Mann des Jahres 2021" wurde jedoch recht zügig eingestellt: Drosten habe lediglich "auf vorangegangene Beleidigungen spontan reagiert", wie die Staatsanwaltschaft laut dem Spiegel-Artikel zur Begründung erklärte.
Spontane Unmutsäußerungen mit beleidigendem Charakter gegenüber einem vielfach prämierten und medial hochgejubelten Christian Drosten stellen hingegen scheinbar weiterhin annähernd den Tatbestand einer Majestätsbeleidigung dar. In einem Spiegel-Interview im Jahre 2020 (Bezahlschranke) umschrieb Drosten regelmäßige "Hassnachrichten" gegen seine Person, als "völlig irre Texte voller Rechtschreibfehler, manche Schreiberlinge sind einfach nur bemitleidenswert, andere hoch narzisstisch, maliziös und manipulativ".
Theoretisch besteht noch die Chance, dass das zuständige Amtsgericht Waren (Müritz) die generelle Eröffnung der Anklageerhebung ablehnt.
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