Wolfgang Gehrcke: Deutschland hatte die Chance zu vermitteln

Am Rande des Liebknecht-Luxemburg-Gedenkens in Berlin hat sich der frühere Bundestagsabgeordnete und außenpolitische Sprecher der Linken Wolfgang Gehrcke zum Ukraine-Konflikt und Deutschlands Rolle darin geäußert. Deutschland hätte vermitteln können, sei aber inzwischen Kriegspartei.

Deutschland hätte im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine erfolgreich eine Vermittlerrolle einnehmen können, wenn es frühzeitig auf die russischen Sicherheitsforderungen eingegangen wäre. Diese Chance habe das Land jedoch verspielt. Das sagte der langjährige Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke und ihr außenpolitischer Sprecher, Wolfgang Gehrcke, am Rande des traditionellen Liebknecht-Luxemburg-Gedenkens am Sonntag in Berlin.

Schon vor Jahren sei absehbar gewesen, dass sich durch die Expansion der EU und NATO nach Osten ein großer europäischer Krieg anbahnt:

"Wir haben seit vielen Jahren davor gewarnt und gegen diese Politik (des Westens) gekämpft",

erinnerte Gehrcke. Es habe ihn zwar im Februar letzten Jahres überrascht, dass Russland als Erstes zum militärischen Handeln greift, er sehe aber auch, dass Russland zu diesem Zeitpunkt nur noch die Wahl zwischen schlechten und noch schlechteren Handlungsoptionen, "zwischen Teufel und Beelzebub", hatte. Moskau habe die mit ihm sympathisierende Bevölkerung im Osten der Ukraine "nicht im Stich lassen" können, als der massive militärische Aufmarsch ukrainischer Truppen im Donbass wie auch Äußerungen Kiewer Politiker keinen Zweifel mehr daran ließen, dass Kiew versuchen würde, die abtrünnigen Gebiete mit militärischer Gewalt zurückzuholen. 

Deutschland sei damals in der Lage gewesen, in dem Konflikt zu vermitteln. Dafür hätte das politische Berlin die Sicherheitsinteressen Russlands ernst nehmen und frühzeitig darauf eingehen müssen. Das sei nun vorbei: Deutschland sei inzwischen selbst zur Kriegspartei geworden und habe sich mit einem Regime in Kiew verbündet, das "unter starken rechtsradikalen und faschistischen Einflüssen steht", resümierte Gehrcke. 

In Berlin hatten sich am Sonntag mehrere Tausend Teilnehmer zum traditionellen Gedenken an die im Januar 1919 ermordeten Arbeiterführer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht an deren Grab im Stadtteil Friedrichsfelde versammelt. Beteiligt waren Dutzende linke, sozialistische und kommunistische Parteien und Vereinigungen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges gab es in diesem Jahr noch weniger Einigkeit bei den Parolen und Forderungen. Augenscheinlich dominierten Plakate, die den deutschen Imperialismus und dessen Ostexpansion für die derzeitige Weltkriegsgefahr verantwortlich machten, auf der anderen Seite marschierte die Berliner Landesorganisation der Linkspartei aber auch mit Ukraine-Fahnen auf. Es kam zu vereinzelten Anfeindungen gegen NATO-Kritiker und Vandalismus gegen ein Banner mit der Forderung "Deutschland raus aus der NATO, NATO raus aus Deutschland".

Ein besonderer Teilnehmer war in diesem Jahr die Enkelin von Karl Liebknecht, Marianne, die auch eine Rede hielt. Auch der frühere Linken-Abgeordnete Diether Dehm war vor Ort, hielt jedoch in diesem Jahr keine Rede.

Mehr zum ThemaDiskussionen und Analysen der Friedensbewegung zum Krieg in der Ukraine