Bundesbürger ignorieren Spar-Aufruf: Privater Gasverbrauch in erster Septemberwoche gestiegen

Nach dem erneuten Lieferstopp von russischem Gas durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 sieht die Bundesnetzagentur beunruhigende Signale beim privaten Gasverbrauch. Denn statt zu sinken, steigt er.

Bund und Kommunen hatten angesichts des Gasnotstands in Deutschland, der im Winter wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland droht, zuletzt vermehrt dazu aufgerufen, Gas einzusparen. Doch der vielfach propagierte Sparaufruf lässt die Bundesbürger offenbar kalt. Denn statt ihn zu senken, hätten die privaten Verbraucher ihren Gasverbrauch in der ersten, etwas kälteren Septemberwoche leicht gesteigert. Das sagte der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Laut Müller sei offenbar noch nicht allen klar, dass für die Einsparung von Gas auch die Heizungseinstellung entsprechend geändert werden müsse.

"Ob es im Winter ohne Rationierungen klappt, können wir alle beeinflussen: Es steht und fällt mit dem Verhalten der privaten Haushalte."

Im Vergleich zum Vorjahr müssten nach Einschätzung von Fachleuten über alle Sektoren hinweg 20 Prozent Gas gespart werden. Erreicht hatte dieses Ziel zuletzt allerdings lediglich die Industrie. 

Am Mittwoch stoppte der russische Energiekonzern Gazprom seine Gaslieferungen über die Ostseepipeline Nord Stream 1 erneut. Grund dafür waren zunächst dreitägige Wartungsarbeiten an einer Kompressor-Station. Am Samstag hätte der Betrieb erneut aufgenommen werden sollen, doch am Freitagabend erklärte Gazprom, dass wegen eines Öllecks an einer Turbine weiterhin keine Lieferungen über Nord Stream 1 möglich seien. Zur Dauer des Lieferstopps machte der Konzern indes keine Angaben.

"Putins Russland ist vertragsbrüchig geworden", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag im Anschluss an die Pressekonferenz zum dritten Entlastungspaket der Ampel-Koalition. Russland sei kein zuverlässiger Energielieferant mehr, erklärte der Kanzler und ergänzte mit Blick auf die laufende Einspeicherung von Gas in Deutschland, dass man darauf aber vorbereitet sei:

"Wir werden durch diesen Winter kommen."

Kremlsprecher Dmitri Peskow machte hingegen die europäische Sanktionspolitik für den Lieferstopp verantwortlich. In der im russischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Sendung "Moskau. Kreml. Putin." sagte er am Wochenende:

 "Wenn die Europäer eine absolut absurde Entscheidung treffen, wonach sie sich weigern, ihre Anlagen zu warten, oder besser gesagt, Anlagen, die Gazprom gehören, dann ist das nicht die Schuld von Gazprom, sondern die Schuld der Politiker, die Entscheidungen über Sanktionen getroffen haben."

Ungeachtet dessen geht die Einspeicherung von Gas in Deutschlands Speichern weiter. Wie das Bundeswirtschaftsministerium am Sonntag über Twitter mitteilte, sei bei den Füllständen der Speicher die Marke von 85 Prozent inzwischen überschritten. Gleiches geht aus Daten der europäischen Gas-Infrastruktur-Unternehmen hervor. Damit ist das von der Bundesregierung vorgesehene Ziel, am 1. Oktober mindestens 85 Prozent Füllstand zu erreichen, erfüllt.

Bis 30. September waren täglich 33 Millionen Kubikmeter Gas über Nord Stream 1 nach Deutschland gepumpt worden, rund 20 Prozent der sonst möglichen Gasmenge. Der russische Energiekonzern Gazprom hatte seine Gaslieferungen über Nord Stream 1 bereits im Juni deutlich heruntergefahren und dies mit technischen Problemen aufgrund einer fehlenden Turbine begründet, die zusammen mit anderen den Druck zum Durchpumpen des Gases erzeugt. 

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