Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich auf ihrer Herbstklausur am Donnerstag trotz der sich täglich weiter zuspitzenden Energiekrise in Deutschland für einen "schnellstmöglichen" Rückbau der Ostseepipeline Nord Stream 2 ausgesprochen. "Als Freie Demokraten fordern wir den Rückbau von Nordstream 2 sowie die schnellstmögliche Erarbeitung eines Konzepts zur rechtlichen, technischen und umweltfachlichen Absicherung", heißt es in einem der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Positionspapier, das auf der Herbstklausur in Bremen beschlossen wurde.
Die Nordstream-Pipelines seien von Beginn an ein geopolitisches Projekt des Kremls gewesen, "dessen Ziel die Isolation der Ukraine war", heißt es in dem Beschluss weiter. "Deshalb hat insbesondere der Bau der Pipeline Nordstream 2 zu erheblichen Verstimmungen geführt und Deutschland diplomatisch isoliert." Angesichts dessen wolle die FDP-Fraktion auch so schnell wie irgend möglich alle Rohstoff- und Energiekäufe aus Russland und Weißrussland beenden. Allerdings nur soweit, wie dies die eigene wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zulasse.
Daneben fordern die freien Demokraten weitere Sanktionen gegen Russland. "Russlands Aggression" müsse weiterhin konsequent mit Wirtschaftssanktionen beantwortet werden. Denn laut der FDP-Fraktion zeigten die bisherigen bereits ihre Wirkung. "Wir fordern die Ausweitungen der Sanktionen gegen Mitglieder der russischen Führung und sprechen uns für die Ausweisung von Familienmitgliedern von Personen auf der Sanktionsliste und Visaentzug aus."
"Wenn einzelne Länder, darunter auch EU-Beitrittskandidaten, Sanktionen unterlaufen oder gar Waffen an Russland liefern, kann das nicht folgen- und widerspruchslos bleiben. Falls EU-Beitrittskandidaten die Sanktionen unterlaufen, müssen die Vorbeitrittshilfen gestrichen werden."
Zunehmend mehr Stimmen fordern Öffnung von Nord Stream 2
Mit ihrer Forderung positioniert sich die Partei gegen ihren stellvertretenden Bundesvorsitzenden Wolfgang Kubicki, der sich angesichts der sich anbahnenden Gasmangellage in Deutschland zuvor noch für eine Öffnung der Ostseepipeline aussprach. "Wir sollten Nord Stream 2 jetzt schleunigst öffnen, um unsere Gasspeicher für den Winter zu füllen", forderte Kubicki im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). "Wenn die Gasspeicher gefüllt sind, können wir Nord Stream 2 ja wieder schließen – und die anderen Pipelines auch, wenn wir unabhängig geworden sind. Aber das sind wir nun mal noch nicht." Dass sich Deutschland Gas aus Russland liefern lasse, "wird doch nicht besser oder schlechter, weil es aus der einen oder der anderen Pipeline kommt", argumentierte Kubicki:
"Gas aus Nord Stream 2 ist nicht unmoralischer als aus Nord Stream 1. Es ist nur eine andere Röhre."
Auch aus den Reihen der Linken waren zuletzt vermehrt Forderungen nach einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu vernehmen. "Da auch die Nicht-Inbetriebnahme von Nordstream 2 eine Sanktion darstellt, wäre die Öffnung ein Signal der Entspannung in diesem Wirtschaftskrieg", heißt es etwa in einem Gastbeitrag, den der Duisburger Bundestagsabgeordnete Christian Leye gemeinsam mit Sahra Wagenknecht (beide Die Linke) für die Tageszeitung Welt verfasst hatte. Laut Meinung der beiden Abgeordneten könne dieser Schritt gar dazu führen, dass Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen nachdenke.
In ihrem Beitrag kritisierten die beiden Linken-Politiker zudem die vom Westen vielfach als erfolgreich beschworene Sanktionspolitik gegen Russland. Die Auswirkungen auf die russische Wirtschaft seien mäßig, so Wagenknecht und Leye:
"Auch haben die Sanktionen keinen Einfluss auf den Krieg in der Ukraine, der nur durch Diplomatie beendet werden kann."
Angesichts anhaltender technischer Probleme mit der Ostseepipeline Nord Stream 1 hatte zuvor auch schon der russische Präsident Wladimir Putin die bisher noch nicht freigegebene Pipeline Nord Stream 2 erneut ins Spiel gebracht. Diese könne in Betrieb genommen werden, so versprach der russische Präsident im Juli. Die Bundesregierung lehnt eine solche Inbetriebnahme allerdings weiterhin ab. Die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 ist bisher nicht genehmigt, ein Zertifizierungsverfahren war im Februar noch vor Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine gestoppt worden.
Am Mittwoch hatte der russische Energiekonzern Gazprom seine Gaslieferungen über Nord Stream 1 erneut gestoppt. Grund dafür sind dreitägige Wartungsarbeiten. Bis zum Dienstag waren täglich 33 Millionen Kubikmeter Gas über Nord Stream 1 nach Deutschland gepumpt worden, rund 20 Prozent der sonst möglichen Gasmenge. Der russische Energiekonzern Gazprom hatte seine Gaslieferungen über Nord Stream 1 im Juni heruntergefahren und dies mit technischen Problemen aufgrund einer fehlenden Turbine begründet, die mit anderen zusammen den Druck zum Durchpumpen des Gases erzeugt.
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