Atomkraft-Debatte: Bayern will Gas-Notfallstufe 3 und Stopp der Stromerzeugung aus Gas

Die Debatte um längere Laufzeiten für Kernkraftwerke geht weiter. Während die Grünen auf das geplante Ende der Meiler pochen, will die FDP die AKW-Laufzeiten verlängern und so die Energieknappheit abfedern. Aus Bayern kommt nun die Forderung, kein Gas mehr für die Stromerzeugung zu nutzen.

Wie soll die Energieversorgung in Deutschland im kommenden Winter gesichert werden? Diese Frage beschäftigt die Politik seit Wochen und wird inzwischen zu einem regelrechten Stresstest für die Ampel-Koalition. Denn die Grünen weisen die Forderungen nach einer Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke hierzulande vehement zurück. Der Koalitionspartner FDP will jedoch die Meiler weiterlaufen lassen.

In einer gemeinsamen Erklärung der FDP-Fraktionsvorsitzenden aus Bund und Ländern hieß es Ende vergangener Woche:

"Das Ende der Stromproduktion durch Kernenergie ist ein politisch definiertes und kein technisch vorgegebenes Datum. Politik muss die Kraft finden, diese politische Entscheidung angesichts einer so dramatischen Entwicklung politisch anzupassen."

Die Bundesregierung müsse "jetzt und umgehend veranlassen, dass ein weiterer Satz Brennelemente für die drei Kraftwerke bestellt wird."

Doch von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kommt erneut eine Ablehnung dieses Vorschlags. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte der Grünen-Politiker am Wochenende, dass die Atomkraft "eine Hochrisikotechnologie" sei und einige Äußerungen ihm "da einfach zu spielerisch" seien. Zugleich betonte Habeck das, was bereits seit Tagen von den Grünen wiederholt unterstrichen wird: 

"Fakt ist: Wir haben aktuell ein Gasproblem, kein Stromproblem. Dieses 'Wir lassen die mal weiterlaufen, dann wird schon alles gut' steht weder im Verhältnis zu den Abstrichen bei den Sicherheitsstandards, die wir dafür in Kauf nehmen müssten, noch ist es der Situation angemessen."

Auch die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang erklärte am Wochenende erneut, dass die Atomkraft nicht das richtige Mittel sei, um von russischen Gaslieferungen unabhängig zu werden. Deutschland habe ein Problem mit der Wärmeenergie, nicht mit der Stromerzeugung, sagte sie in der ARD-Talkshow "Anne Will".

Von der Union kommt seit Tagen der Vorwurf, dass derzeit immer noch Gas verstromt werde, statt es für den Winter zu speichern. Die Opposition forderte deshalb, nicht nur auf die Kohlekraft als Alternative zu setzen, sondern zusätzlich die vorhandenen Kernkraftwerke in Betrieb zu lassen.

Vor allem aus Bayern wird der Druck auf Berlin immer größer. Der Wirtschaftsminister des Freistaates, Hubert Aiwanger (Freie Wähler), kritisierte am Wochenende gegenüber der Augsburger Allgemeinen:

"Wir fordern seit März einen Stresstest, ob für Bayern auch ohne Atomkraft bei einer Gasnotlage die Elektrizitätsversorgung sichergestellt ist. Diese Frage wurde uns bis heute nicht beantwortet."

Er forderte zudem den Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Isar 2. Die Atomkraft könnte hier zur Sicherung der Energieversorgung beitragen, so Aiwanger. Das AKW Isar 2 decke 15 Prozent des bayerischen Strombedarfs und könne mit den vorhandenen Brennstäben bis August 2023 laufen. Die Atomkraft könnte laut dem Politiker "ein entscheidendes Sicherheitsnetz" darstellen, damit die Energieversorgung in Bayern "uns im Winter nicht um die Ohren fliegt". 

Aiwanger forderte zugleich von der Ampel-Regierung, sofort die Gas-Notfallstufe 3 auszurufen. Im Juni hatte Habeck die zweite Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen, bei der man davon ausgeht, dass der Markt eine bestehende Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas noch alleine bewältigen kann. Doch laut Aiwanger sei es nun "bereits fünf nach zwölf" für die nächste Stufe. Diese bringt zum Ausdruck, dass die Lage so ernst ist, dass der Staat in den Markt eingreifen muss und die Bundesnetzagentur die Gasverteilung regelt.

Aiwanger sieht in einer bundesweiten Notlage die nötige Voraussetzung dafür, Gasgroßkraftwerke herunterzufahren, große Mengen Erdgas einzusparen und so die Gasspeicher füllen zu können.

Der Staat müsse sich jetzt in das Gas-Management einmischen, so der bayerische Politiker weiter. "Wir verbrennen derzeit riesige Mengen an Erdgas zur Stromerzeugung", erklärt der Freie Wähler-Chef mit Blick auf das bayerische Großkraftwerk in Irsching.

"Das Wichtigste ist jetzt, dass wir sofort massiv Gas einsparen, denn momentan bewegt sich beim Auffüllen der Speicher fast nichts mehr."

Das bayerische Atomkraftwerk Isar 2 bei Landshut soll laut Plan Ende 2022 abgeschaltet werden. Aiwanger fordert, seine Laufzeit zu verlängern. Zudem soll den Aussagen von Aiwanger zufolge das Ende 2021 vom Netz genommene Kernkraftwerk Gundremmingen wieder in Betrieb genommen werden.

Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa seien die Gas-Speicher in Deutschland derzeit zu 64,5 Prozent gefüllt. Um einen Mangel im Winter zu vermeiden, sollen sie laut Gesetz bis zum 1. Oktober zu 80 Prozent und bis zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein.

Von der Gas-Pipeline Nord Stream 1 kommt derzeit wegen geplanter Wartungsarbeiten kein Gas. Importiert wird derzeit vor allem aus Norwegen und den Niederlanden. Zudem soll vermehrt verflüssigtes Erdgas (LNG) aus den USA importiert werden. Bisher hat Deutschland kein eigenes LNG-Terminal. Die Bundesregierung hat vier schwimmende Flüssiggasterminals gechartert, das erste soll im Winter in Wilhelmshaven in Betrieb gehen.

Doch der Energiekonzern Uniper teilte vergangene Woche mit, dass er wegen der fehlenden Lieferungen aus Russland begonnen habe, wieder Gas "aus den von uns selbst genutzten Kapazitäten" zu entnehmen. Die Bundesnetzagentur hatte am Donnerstag allerdings gewarnt, die Entnahme von Gas erschwere es, die für den Winter notwendigen Speicherfüllstände zu erreichen und verringere die Reserven für eine Mangellage. Doch Uniper verweist auf Liquiditätsgründe sowie die Erfüllung von Verträgen.

Ob die Atomkraft in Deutschland doch noch weitergenutzt wird, konnte Grünen-Vorsitzende Lang in der ARD-Talkshow am Sonntagabend auch nach beharrlichen Nachfragen nicht eindeutig beantworten. So äußerte sie:

"Nein. Erstmal sage ich, dass wir im Moment das nicht tun werden. Dann sage ich, dass wir in jedem Moment innerhalb dieser Krise natürlich immer auf die aktuelle Situation reagieren müssen und dabei alle Maßnahmen prüfen werden. Das haben wir in der Vergangenheit getan. Das haben wir nie kategorisch ausgeschlossen. Sondern wir haben immer aktuell geprüft, was macht in diesem Moment Sinn. Das werden wir auch weiter tun."

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