Gleich zwei Friedensbündnisse riefen in dieser Woche vor den großen deutschen US-Militärstützpunkten in Ramstein und Büchel zu Versammlungen auf, um gegen den Missbrauch der dort stationierten US-Waffen zu demonstrieren. Während sich das Aktionsbündnis "Stopp Air Base Ramstein" mit einem einwöchigen Friedenscamp gegen den Einsatz von Kampfdrohnen aussprach, riefen hingegen die Landeskirchen und die katholische Friedensbewegung Pax Christi die Militärangehörigen in Büchel zu einem "neuen sicherheitspolitischen Denken" sowie zum Verzicht auf Atomwaffen auf.
Tanz der Toten in Ramstein
Unter dem Motto "Tanz der Toten" fand am Samstag eine Großdemonstration vor dem Stützpunkt und Drehkreuz der US Air Force in Ramstein statt. Die Veranstaltung markierte den Höhepunkt einer einwöchigen Aktionswoche, bei der Interessierte die Gelegenheit hatten, sich in Workshops und Seminaren über den von Rheinland-Pfalz aus gesteuerten Drohnenkrieg der US-Amerikaner zu informieren. Rund 500 Menschen beteiligten sich an der friedlichen Aktion. Für das makabre Motto hatten sich die Organisatoren laut eigenen Angaben ganz bewusst entschieden.
"Niemand hat bisher den Dienst des Todes, den die Air Base Ramstein und die deutsche Regierung leistet, so deutlich angesprochen. Wir möchten, dass den Menschen das schreckliche, absurde und menschenverachtende Geschäft der Kriegsprofiteure und der Militärbasis sofort offensichtlich wird", heißt es auf der Webseite des Aktionsbündnisses. Die Organisatoren riefen die Protestteilnehmer darüber hinaus dazu auf, die "üblichen Friedens- und Organisationsfahnen zu Hause" zu lassen:
"Wenn ihr Schilder malen wollt, dann solche, die das Geschäft des Todes satirisch unterstützen. Beispiele wären: 'Nr. 1 Atombombenmagnet: Air Base Ramstein', 'Drohnentod weltweit', 'I love Rheinmetall', 'Ob Rot-Grün-Gelb, die Ampel tötet für das Geld', 'Passion for killing – Rheinmetall', 'ThyssenKrupp – Wir profitieren vom Krieg' etc. Wir sind uns sicher, dass ihr noch viel kreativer seid und mit tollen Schildern kommt."
Mit ihrem Protest beziehen sich die Organisatoren von "Stopp Air Base Ramstein" auf die Enthüllungen des ehemaligen Drohnenpiloten Brandon Bryant, dank dessen Offenbarungen die prominente Rolle, die der Luftwaffenstützpunkt für den Drohnenkrieg der US-Regierung spielt, der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde. "Ohne Deutschland wäre der gesamte Drohnenkrieg des US-Militärs nicht möglich", erklärte der Whistleblower 2014 der Süddeutschen Zeitung (SZ). Bryant war bis April 2011 auf einem US-Luftwaffenstützpunkt in New Mexiko stationiert:
"In den mehr als tausend Drohneneinsätzen, die ich geflogen habe, gab es kein einziges Mal, wo wir zum Schichtbeginn nicht in Ramstein angerufen haben."
"Ich habe mein Rufzeichen durchgegeben und die Kennung der Drohne, die ich steuern will, und schon ging es los. Das Signal der Drohne wird über einen Satelliten nach Ramstein übertragen. Dort wird das Signal verstärkt und per Glasfaserkabel in die Vereinigten Staaten geleitet, wo wir Piloten saßen", enthüllte er. Als Pilot habe er während des gesamten Einsatzes über ein abgesichertes Chat-System in Kontakt mit den Analysten des sogenannten Distributed Ground System (DGS) gestanden:
"In den Distributed Ground Systems (DGS) werden die Videobilder unserer Drohne überwacht, analysiert und an die zuständigen Stellen verbreitet."
Von dort habe er mehrmals stündlich Live-Hilfestellung zur Auswertung seiner Bilder erhalten, so Bryant. Noch ein Jahr zuvor schrieb die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine damalige Anfrage der Partei Die Linke im Deutschen Bundestag, dass sich das Kontrollzentrum (DGS) aus ihrer Sicht gar nicht in Deutschland befinde, "da die Baubeschreibung lediglich die Errichtung einer Station zur Weiterleitung von Daten über Satelliten (SATCOM-Relay) spezifiziert".
Bryant hatte daraufhin erklärt, er habe oft "mit den Jungs vom DGS gechattet". Diese hätten demnach sehr wohl bestätigt, in Langley, auf Hawaii – oder eben auch in Ramstein(!) – zu sitzen.
Kirchen rufen zu einem Ende der Atombombenstationierung in Büchel auf
Neben dem "Tanz der Toten" in Ramstein fand am Fliegerhorst Büchel der bundesdeutschen Luftwaffe am Samstag der 5. Aktionstag der Kirchenvereinigungen "Friedensarbeit" und "Pax Christi" statt. An dem Tag gehe es darum, "ein Zeichen für eine atomwaffenfreie Welt zu setzen", teilte die Friedensarbeit am Freitag in Bonn mit:
"Wir, Christinnen und Christen aus mehreren evangelischen Landeskirchen und der katholischen Friedensbewegung Pax Christi, laden hiermit zum 5. Aktionstag für eine atomwaffenfreie Welt am Fliegerhorst Büchel ein. Hier werden 20 US-amerikanische Atombomben, die im Kriegsfall von deutschen Flugzeugen zu ihren Zielen geflogen werden, für den Einsatz bereitgehalten."
Die derzeitige Weltlage mache die "Dringlichkeit und Notwendigkeit, für die Abschaffung der Atomwaffen einzutreten, zwingend deutlich", erklärten die Kirchenvertreter auf ihrer Webseite.
Etwa 100 Protestteilnehmer forderten die Verantwortlichen in Büchel zudem dazu auf, von der derzeitigen "Abschreckungslogik" gegen Russland abzurücken. Stattdessen brauche es ein neues "sicherheitspolitisches Denken" sowie eine "friedenslogische Politik". Dazu gehöre auch der Verzicht auf Atomwaffen, hieß es in einem ökumenischen Gottesdienst und einer anschließenden Kundgebung vor dem Haupttor des Luftwaffenstützpunkts. Der Weltkirchenrat solle sich bei den nationalen Regierungen darüber hinaus für einen Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag einsetzten, so die Aktivisten:
"Die beim Ukraine-Krieg verbundene Eskalationsgefahr zeigt die Dringlichkeit eines weltweiten Atomwaffenverbots."
Auf dem Fliegerhorst Büchel sollen als offenes Geheimnis derzeit etwa 20 Wasserstoffbomben vom Typ B61 lagern, die im Falle eines nuklearen Einsatzbefehls im Rahmen einer nuklearen Teilhabe Deutschlands dank der NATO nur noch an die hierfür bereitgehaltenen Panavia Tornado-Jets PA-200 des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 der Bundeswehr eingeklinkt werden. Die Piloten haben dann die Aufgabe, diese Bomben über den vorgesehenen Zielorten abzuwerfen.
Derzeit bleibt lediglich unklar, ob die Atomwaffen in Büchel oder nach NRW verlagert wurden, weil wegen bereits seit längerem geplanten Sanierungsarbeiten am Fliegerhorst Büchel das entsprechende deutsche Luftwaffengeschwader für den Atombombenabwurf im vergangenen Monat übergangsweise auf den rund 100 Kilometer entfernten Fliegerhorst in Nörvenich in Nordrhein-Westfalen verlegt wurde.
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