Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vorwürfe gegen die SPD wegen ihrer Russlandpolitik der letzten Jahrzehnte als Verleumdungen zurückgewiesen. In einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel beklagte der SPD-Politiker, dass ein "Zerrbild von sozialdemokratischer Politik" gezeichnet werde. So sagte er:
"Die Sozialdemokratische Partei ist eine fest in das transatlantische Bündnis und den Westen eingebundene Partei, die die Vorwürfe, die da erhoben werden, nicht akzeptieren muss."
Der SPD wird vorgeworfen, in den letzten Jahrzehnten zu sehr auf Annäherung zu Russland gesetzt und dabei Risiken außer Acht gelassen zu haben. Nun sagt Scholz:
"Seit Adenauers Zeiten gibt es diese verfälschenden und verleumderischen Darstellungen der Europa- und Russlandpolitik der SPD, das ärgert mich."
Er verteidigte vor allem die Politik der SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt in den Jahren 1969 bis 1982. Brandt hatte nach den Jahren der Westbindung der Bundesrepublik Deutschland unter dem CDU-Kanzler Konrad Adenauer eine Entspannungspolitik mit den Staaten des von der Sowjetunion angeführten Warschauer Paktes in die Wege geleitet, die in die Ostverträge mit der Sowjetunion, der DDR, Polen und der Tschechoslowakei mündete. Scholz erläutert das so:
"Was die SPD auszeichnet, ist die klare Entspannungspolitik durch Brandt und Schmidt. Eine Politik, die möglich gemacht hat, dass der Eiserne Vorhang verschwindet, dass viele Länder Osteuropas die Demokratie gewinnen konnten und dass wir heute in der Europäischen Union vereint sind."
Den dritten SPD-Kanzler Gerhard Schröder, der enge Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin aufbaute und den weiteren Ausbau von Gaslieferungen aus Russland vorantrieb, erwähnte Scholz nicht.
Er räumte aber ein, dass sich Deutschland in eine zu starke Abhängigkeit von russischem Gas begeben habe. Das Problem sei nicht, "dass es zwei, drei oder vier Pipelines gibt, sondern dass alle aus Russland kommen". Man hätte "früh dafür sorgen müssen, dass man innerhalb kürzester Zeit auch von anderen Lieferanten bedient werden kann".
Scholz erklärte außerdem, dass Russland "nicht nur erst mit der Invasion der Ukraine brutal" das Prinzip der Souveränität der Nationen und die Unverletzlichkeit der Grenzen missachtet habe, sondern "schon mit der Annexion der Krim, mit dem Inszenieren des Aufstands in den Donbass-Regionen und in anderen Teilen der Welt". Demnach hätte man schon 2014 härter reagieren müssen:
"Wir hätten mit einem Teil der Sanktionen, die wir jetzt verhängt haben, bereits auf die Annexion der Krim antworten sollen. Das hätte gewirkt."
Scholz betonte zudem, dass weder dem früheren SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel aus den Reihen der CDU vorzuhalten sei, "dass sie versucht haben, in Europa eine Ordnung zu schaffen, in der kein Land das andere überfällt". Der SPD-Politiker meint vielmehr:
"Sie haben alles dafür getan, um zu verhindern, dass es zu dem Krieg kommt, den wir jetzt leider erleben. Dass das misslungen ist, liegt nicht an Frau Merkel oder Herrn Steinmeier, sondern am putinschen Imperialismus, der sich über alles, was an Vereinbarungen und Verständigung erzielt worden ist, hinweggesetzt hat. Putin ist der Aggressor, niemand sonst."
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