Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aktiviert wegen der drohenden Verschlechterung der Versorgungslage die Frühwarnstufe des sogenannten "Notfallplans Gas". Dies diene, so Habeck, der Vorsorge. Die Versorgungssicherheit sei weiterhin gewährleistet.
Laut Habeck müsse Deutschland für "den Fall einer Eskalation seitens Russlands" vorbereitet sein. Daher seien die Vorsorgemaßnahmen nötig, auch wenn es derzeit keine Engpässe in der Gasversorgung gebe.
Die Frühwarnstufe bedeutet laut Ministerium, dass ein Krisenstab beim Wirtschaftsministerium zusammentritt, der aus Behörden und den Energieversorgern besteht. Die Gasversorger und die Betreiber der Gasleitungen werden verpflichtet, regelmäßig die Lage für die Bundesregierung einzuschätzen.
Diese erste von drei Krisenstufen sieht noch keine staatlichen Versorgungseinschränkungen vor. Der nächste Schritt wäre die Alarmstufe. Die würde eintreten, wenn eine Störung der Gasversorgung oder eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach Gas vorliegen sollte, die zu einer erheblichen Verschlechterung der Versorgungslage führt. Der Markt ist aber noch in der Lage, diese Störung oder Nachfrage zu bewältigen, ohne dass nicht-marktbasierte Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte am Montagabend erklärt, dass Russland kein kostenloses Gas liefern werde. Die G7-Staaten hatten zuvor bekannt gegeben, dass sie nicht bereit seien, die russischen Lieferungen in Rubel zu zahlen. Peskow hatte daraufhin die Einstellung der Gaslieferungen in Aussicht gestellt, wenn die Abnehmer bei ihrer Weigerung bleiben sollten.
Am 23. März hatte der russische Präsident Wladimir Putin die Umstellung auf die Bezahlung von Gaslieferungen an "unfreundliche Länder" in Rubel angekündigt. Die Regierung, die Bank von Russland und Gazprom haben bis zum 31. März Zeit, alle notwendigen Maßnahmen zur Umsetzung der Entscheidung des Präsidenten zu ergreifen.
Habeck hatte am Mittwoch erneut betont, dass – falls Russland eine Bezahlung der Gasimporte nur noch in Rubel akzeptiere – dieser Schritt Moskaus einen Bruch der privaten Lieferverträge darstelle. Russland ist der größte Exporteur von Gas nach Europa und liefert rund 40 Prozent des verbrauchten Rohstoffs. In Deutschland allein belaufen sich die Gas-Importe aus Russland auf rund 55 Prozent.
Aus der Wirtschaft und Industrie kamen bereits Warnungen vor möglichen Folgen der fehlenden Energielieferungen. So hatten etwa die Vertreter der Industriegewerkschaften IG Metall, IG Bergbau, Chemie, Energie (BCE) und IG Bau in einem gemeinsamen Positionspapier darauf hingewiesen, dass ein sofortiger Stopp von Gas- und Ölimporten aus Russland katastrophale wirtschaftliche Folgen hätte. Wie es in einem Bericht des Handelsblatts heißt, habe der IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis auf einer Pressekonferenz in Berlin erklärt:
"Die Folgen wären nicht nur Kurzarbeit und Jobverluste, sondern der schnelle Zusammenbruch der industriellen Produktionsketten in Europa – mit weltweiten Folgen."
Auch der Vorstandsvorsitzende des Energiekonzerns E.ON, Leonhard Birnbaum, hatte in einem Interview in den ARD-"Tagesthemen" betont, dass man abwägen sollte, "wie viel Schaden richtet es an, wenn die Energieversorgung nicht in vollem Maße von uns aufrechterhalten werden kann". Laut Birnbaum gebe es gegenwärtig keinerlei Möglichkeiten, aus anderen Quellen Gaslieferungen zu beziehen, sollten die Importe aus Russland komplett eingestellt werden. Es würde kein internationaler Markt existieren, der dementsprechend genügend Gas offerieren könnte, im Gegensatz etwa zum Ölsektor, so der E.ON-Chef weiter.
Die Vertreter der Gewerkschaften unterstrichen auf ihrer Pressekonferenz, dass von den 800.000 Terajoule Gas, die die deutsche Industrie im Jahr verbrauche, mehr als 80 Prozent auf industrielle Prozesse entfallen würde. Weite Teile der Industrie würden zum Stehen kommen, falls die nötigen Mengen nicht zur Verfügung stehen sollte, so IG-BCE-Chef Vassiliadis.
Am Mittwoch appellierte Bundeswirtschaftsminister Habeck an alle Verbraucher, Gas zu sparen:
"Dennoch ist ab sofort jeder Gasverbraucher – von der Wirtschaft bis zu Privathaushalten – auch gehalten, seinen Verbrauch so gut wie möglich zu reduzieren."
Jede eingesparte Kilowattstunde Energie helfe, sagte der Grünen-Politiker in Berlin. Auch der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, bat "die Verbraucher und die Industrie beizutragen" und schrieb via Kurznachrichtendienst Twitter, dass sich die Netzagentur "auf alle Szenarien vorbereitet".
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