Am 6. November vergangenen Jahres hatte ein Mann scheinbar wahllos auf Menschen in einem Zug in Bayern eingestochen. Kurz nach dem blutigen Angriff war ein Gutachter zunächst noch davon ausgegangen, dass der Verdächtige zur Tatzeit möglicherweise schuldunfähig gewesen sei. Der 27-Jährige war daraufhin in einem Bezirksklinikum untergebracht worden. "Ich bin krank. Ich brauche Hilfe", soll der Mann bei seiner Festnahme sinngemäß geäußert haben. Bald stand die Diagnose paranoide Schizophrenie im Raum.
Doch nun, rund vier Monate nach der Messerattacke in dem ICE zwischen Regensburg und Nürnberg, gehen die Ermittler von einer islamistisch-extremistischen Tat aus.
Zunächst hatte die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet. Jetzt bestätigte ein Sprecher des Generalbundesanwalts in Karlsruhe gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass die Behörde wegen der besonderen Bedeutung des Falles die Ermittlungen übernommen habe. Die Ermittler gehen demnach seit geraumer Zeit davon aus, dass der Verdächtige bei der Attacke im November 2021 durchaus schuldfähig war.
Der damals 27 Jahre alte Syrer hatte vier Männer im Alter zwischen 26 und 60 Jahren teils schwer verletzt. Die Attacke erfolgte am Vormittag des 6. November im ICE 928 von Passau nach Hamburg. Bei der Polizei ging ein erster Notruf ein, dass eine Person Menschen mit einem Messer angreife. Zu diesem Zeitpunkt war der Zug mit 208 Passagieren an Bord gerade auf der Strecke zwischen Regensburg und Seubersdorf in der Oberpfalz unterwegs. Die Polizei teilte damals mit, dass der Mann im Wagen 5 und 4 offenbar wahllos Menschen angegriffen habe – zunächst einen 26-Jährigen, den er mit Messerstichen an Kopf und Oberkörper schwer verletzte; und danach ging er noch auf zwei 60-Jährige los. Anschließend wechselte der Täter den Wagen, wo er auf einen 39-Jährigen einstach.
Über den Verdächtigen war damals mitgeteilt worden, dass er syrischer Staatsangehöriger und 2014 mit seiner Familie nach Deutschland eingereist sei. Laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks ist der Mann seit dem 19. Januar nicht länger in einer psychiatrischen Klinik untergebracht, sondern sitzt in Untersuchungshaft. Zuvor sei ein weiterer Sachverständiger zu der Einschätzung gelangt, dass der Verdächtige in seiner Schuldfähigkeit nicht eingeschränkt war. Daher sei der 27-Jährige in die bayerische JVA verlegt worden.
Die Ermittler hatten nach der Tat bei ihm unter anderem Propagandavideos der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) entdeckt.
Bisher war unklar, ob bei der Attacke eine extremistische Motivation eine Rolle gespielt haben könnte. Nun hat die Generalbundesanwaltschaft nach eigenen Angaben "gravierende Anhaltspunkte für einen islamistischen Hintergrund". Dem Mann werden unter anderem versuchter Mord in zwei Fällen, versuchter Totschlag sowie vorsätzliche Körperverletzung vorgeworfen.
Nach Informationen der dpa gehen die Ermittler inzwischen davon aus, dass der 27-Jährige das westliche, freiheitlich-demokratische Staats- und Gesellschaftssystem der Bundesrepublik ablehnt. Er verachte alle Deutschen und wolle nur mit anderen "rechtgläubigen" Muslimen in einem an der Scharia ausgerichteten Staat zusammenleben. Das habe sich unter anderem aus Aussagen von Zeugen ergeben, die mit dem Mann bekannt gewesen seien.
Der Täter war seit 2014 in Niederbayern gemeldet, 2016 wurde er als Flüchtling anerkannt. Vor der Bluttat hatte er in einem Wohnheim in Passau gelebt. Den damaligen Mitteilungen der Polizei zufolge sei der Verdächtige zuvor lediglich "wegen eines kleinen Betrugsdeliktes" in Erscheinung getreten. Nach der Attacke im ICE hatte sich der Mann widerstandslos festnehmen lassen. Bei ihm fanden Polizisten ein blutverschmiertes Klappmesser mit einer acht Zentimeter langen Klinge.
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(Mit Material von dpa)