Um eine Ausbreitung des Coronavirus zu Beginn der Pandemie einzudämmen bzw. zu stoppen, hatten Bund und Länder in der ersten Welle im März 2020 das öffentliche Leben im Rahmen politischer Maßnahmen heruntergefahren. Aufgrund der sogenannten individuellen Lockdown-Verordnungen musste auch die Gastronomie wochenlang schließen, Essen und Getränke konnten nur zum Mitnehmen verkauft werden. Hotels war es untersagt, Touristen aufzunehmen.
Der Inhaber eines Hotel- und Gastronomiebetriebs – ein familiengeführter Betrieb mit Hotel, mehreren Restaurants und großem Biergarten südlich von Berlin – klagte daraufhin jeweils erfolglos vor dem Potsdamer Landgericht und Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg auf eine Entschädigungszahlung von rund 27.000 Euro (Verdienstausfall, nicht gedeckte Betriebskosten, Arbeitgeberbeiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung). Im Anschluss erfolgte die Revisionsklage, die zum heutigen Urteil führte. Für den in der Klage genannten Zeitraum erhielt der Gastronom im Rahmen eines staatlichen Soforthilfeprogramms 60.000 Euro als Corona-Soforthilfe. In der Klageschrift heißt es:
"Der Kläger hat geltend gemacht, es sei verfassungsrechtlich geboten, ihn und andere Unternehmer für die durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlittenen Umsatz- und Gewinneinbußen zu entschädigen."
Die nun veröffentlichte Urteilsbegründung lautet in Auszügen:
"Die Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gewähren Gewerbetreibenden, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie als infektionsschutzrechtliche Nichtstörer durch eine auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützte flächendeckende Schutzmaßnahme, insbesondere eine Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung, wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung einen Anspruch auf Entschädigung."
Ein genereller Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung ergäbe sich laut dem Gericht auch nicht aus Paragraf 65 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Nach dem dort niedergelegten "eindeutigen Wortlaut" ist diese Vorschrift "nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten einschlägig". In dem nun behandelten Fall würde sich die Situation darlegen, dass "die Corona-Eindämmungsverordnung vom 22. März 2020 sowie die Folgeverordnungen vom 17. April 2020 und 24. April 2020 jedoch der Bekämpfung der COVID-19-Krankheit" gedient hätte. Diese, in dem Falle Corona-Welle, hatte sich nach Ansicht des Gerichts "bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung vom 22. März 2020 deutschlandweit ausgebreitet".
Des Weiteren heißt es in der Begründung:
"Hilfeleistungen für von einer Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche sind keine Aufgabe der Staatshaftung. Vielmehr folgt aus dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen."
Die nun verkündete Entscheidung hat grundsätzlichen Charakter. Die Land- und Oberlandesgerichte orientieren sich in aller Regel an die Ergebnisse dementsprechender Urteile. Nach Angaben des Vorsitzenden Richters Ulrich Herrmann bei der Urteilsverkündung seien "bundesweit viele ähnliche Verfahren" aktuell anhängig.
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