Da nach dem 19. März die bisherige Rechtsgrundlage des Infektionsschutzgesetzes in Deutschland ausläuft, soll es nach einem Gesetzentwurf der Ampel-Koalition zu einer Änderung der Corona-Maßnahmen kommen. Über den neuen Gesetzesentwurf soll am Mittwoch im Plenum debattiert werden. So sollen zumindest einige der tiefgreifenden Schutzmaßnahmen wegfallen und durch Basisschutzmaßnahmen ersetzt werden. Doch die neue Gesetzesvorlage wurde am Montag in einer Anhörung des Bundestages von verschiedenen Experten kritisiert.
So erklärte der Bonner Virologe Hendrik Streeck in der Anhörung, dass sich das Krankheitsgeschehen insbesondere durch die Omikron-Variante von den Inzidenzen entkoppelt habe. Daher empfiehlt Streeck, "sich von den Maßnahmen zu trennen, von denen man nicht weiß, ob sie zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen". Zu diesen zählen nach Ansicht des Virologen zum Beispiel die 3G-Regel, aber auch bei der 2G-Regel sei ein positiver Effekt wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
Wünschenswert sei auch eine pragmatischere Herangehensweise bei der Definition des Geimpften- und Genesenenstatus. Dies könne beispielsweise durch Antikörpertests geschehen, die ein verlässlicher Indikator seien, wie gut ein Mensch gegen eine Corona-Infektion geschützt sei.
Die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Institut für Infektionsforschung warnt hingegen davor, die Maßnahmen zu voreilig zu lockern. Es sei weiterhin wichtig, Infektionen zu vermeiden, da "die Dynamik weiter zunehmen werde". Das Kontaktverhalten der Menschen sei fast schon wieder auf dem Niveau des Jahres 2019, so Brinkmann. Dies sei angesichts der Tatsache, dass viele Menschen in der vulnerablen Gruppe noch nicht geimpft sind, schlecht. Zudem halte sie es für möglich, dass neue SARS-CoV-2-Varianten mit einer schweren Krankheitslast einhergehen könnten:
"Für mich ist es unverständlich, dass man einen Werkzeugkasten aus der Hand gibt, den man jederzeit einsetzen können muss."
Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sieht Lockerungen kritisch und bedauert, dass "das Instrumentarium der Länder kleiner geworden ist und nicht zur aktuellen Infektionslage passt. Unabhängig davon, ob man die Möglichkeiten nutzt oder nicht". Zudem sei es aus seiner Sicht nicht nachvollziehbar, "warum Masken im öffentlichen Personennahverkehr getragen werden sollten und in engen Räumlichkeiten des Einzelhandels nicht". In Bezug auf die Corona-Impfungen erklärte er, dass die Debatte zur Impfpflicht schwierig sei, da die Impfung zwar vor schweren Verläufen schützen könne, aber die Zahl der Impfdurchbrüche dennoch hoch sei.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Stellungnahme des Datenanalytikers Tom Lausen während der Anhörung, der erklärte, er habe in seinen Analysen festgestellt, dass im Jahr 2020 trotz 111.324 COVID-19-Fällen insgesamt 2,5 Millionen Fälle weniger stationär behandelt wurden als 2019. Auch im Jahr 2021 wurden trotz 276.332 COVID-19-Fällen ebenfalls 2,5 Millionen Fälle weniger behandelt als 2019. Daher könne man davon ausgehen, dass eine flächendeckende Überlastung der Krankenhäuser, insbesondere durch COVID-19-Patienten, nie stattgefunden habe, so Lausen. Des Weiteren wies Lausen darauf hin, dass die Zahl von Impfnebenwirkungen nach einer Analyse für die BKK-ProVita deutlich höher liegt als die im Sicherheitsbericht des Paul-Ehrlich-Instituts angegebenen 244.276 Nebenwirkungen unbekannter Schwere (RT DE berichtete). Nach Hochrechnung der ambulanten BKK-Versichertendaten läge diese für alle Geimpften in Deutschland bei 2,5 bis 3 Millionen. Daher empfehle es sich, "nicht erfasste Nebenwirkungen unverzüglich zu ermitteln und nachzuerfassen, bis eine korrekte Datengrundlage für einwandfreie Risiko-Nutzen Bewertungen der COVID-19-Impfstoffe von dieser Behörde erstellt werden können".
Mehr zum Thema - Berliner Senat verlängert geltende Corona-Regeln bis zum 31. März