Am 9. März verkündeten Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Inhalte und Eckpunkte für den Entwurf einer neuen Rechtsgrundlage, auf den sich die beiden Ministerien geeinigt hatten. Dabei handelt es sich um modifizierte Grundpfeiler des Infektionsschutzgesetzes sowie zukünftig geltende Corona-Basisschutzmaßnahmen für die Bürger. Während der Pressekonferenz stellte der Gesundheitsminister dabei fest:
"Wir sind in großer Eile, weil wir ab dem 20.03. bestimmte Maßnahmen nicht mehr fortsetzen können."
Nun wurde bekannt, dass das Bundesjustizministerium zuvor eine interne Analyse in Auftrag gegeben hatte, die für kontroverse Diskussionen in politischen Kreisen der Bundestagsfraktionen sorgen könnte. In dem vierseitigen Papier, welches der Welt vorliegt, wurde den von Karl Lauterbachs medial regelmäßig eingeforderten Notwendigkeiten für das unbedingte Fortbestehen tief greifender Corona-Maßnahmen demnach eine klare Absage erteilt. Vor einer anvisierten "Einstufung von Hotspots" müsse laut dem Papier "die Anwendung milderer Mittel" geprüft werden.
Eckpfeiler des verkündeten Entwurfs von Buschmann und Lauterbach ist die sogenannte "Hotspot-Regelung". Diese bedeutet, dass in Gebieten mit "schwierigem Ausbruchsgeschehen", etwa bei einer "Überlastung des Gesundheitssystems oder gefährlichen neuen Virusvarianten", laut dem Entwurf vorgesehen zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden können, so Darlegungen von Lauterbach am 9. März. In dem vierseitigen Analyse-Dokument des Justizministeriums wird demnach laut Angaben der Welt nun der "Ausnahmecharakter der Hotspot-Regelung" explizit betont. Eine dementsprechende Anwendung wäre laut Einschätzung von Juristen nur "unter hohen Hürden" umsetzbar.
Als mögliches Szenario würde zum Beispiel gelten, wenn eine Überlastung der lokalen Krankenhauskapazitäten in einer "konkreten Gebietskörperschaft" drohe, also in klar definierten Bereichen von Bundesländern, und/oder Gemeinden und Gemeindeverbänden. Daher sei laut dem Ergebnis der Analyse, vor dem Hintergrund der "geringeren Gefährlichkeit" der Omikron-Variante und "der Möglichkeit des Selbstschutzes durch Impfstoffe, die schwere Verläufe weitgehend verhindern", das Schutzgut, also das Ziel, "nicht mehr" die Verhinderung von Ansteckungen, sondern "das Funktionieren des öffentlichen Gesundheitssystems", so die Analyse im Welt-Artikel. Die Prüfer hätten festgestellt:
"Hohe lokale Inzidenzwerte oder deren starker Anstieg allein würden für Maßnahmen nicht ausreichen. Deswegen sei eine Formulierung von Schwellenwerten nicht zielführend und würde möglicherweise sogar den falschen Fokus setzen."
Vor einer anvisierten "Einstufung von Hotspots" müsse laut dem Papier daher zudem "die Anwendung milderer Mittel" geprüft werden. Hierbei könnten Verantwortliche zum Beispiel die Nutzung von "Krankenhauskapazitäten außerhalb des betroffenen Gebietes" in Erwägung ziehen. Zu diesem Punkt sticht momentan die Widersprüchlichkeit von jüngsten Aussagen des Gesundheitsministers ins Auge. Zwei Tage nach der Verkündung des Regierungsentwurfes formulierte Karl Lauterbach auf einer Pressekonferenz in Berlin spekulative Gedanken, bezugnehmend von ihm erkannten Gegenwarts- und Zukunftsszenarien.
Die Lage stelle sich für ihn weiterhin kritisch dar, die Pandemie hätte sich aufgrund einer "Subvariante" von Omikron lediglich "verschoben". Die Fallzahlen würden sich aktuell wieder "stark steigend" darstellen, dies würde laut seiner Einschätzung nicht nur "mittelfristig ein Problem für die Krankenhausbelastung" darstellen, sondern "jetzt schon ein Problem für die Menschen, die an COVID-19 versterben", so Lauterbach. Der Minister erläuterte, mit Verweis auf aktuelle COVID-19-Sterbezahlen, wörtlich:
"Wir können nicht zufrieden sein. ... und die Perspektive die ist, dass in wenigen Wochen mehr Menschen daran versterben, weil diejenigen, die sich jetzt infizieren, sterben typischerweise erst in einigen Wochen."
Am gleichen Tag wurden jedoch auch Informationen bekannt, laut denen der Gesundheitsminister die Gesamtlage wesentlich weniger dramatisch einschätzt. In einem Brief an die Kassenärztliche Vereinigung teilte Lauterbach den Kollegen die "Streichung von Corona-Sonderregeln" zur Finanzierung der Extra-Kosten für Schutzausrüstung, Lagerhaltung der Kassenärztlichen Vereinigungen und den Kosten für die Corona-Hotline mit. Zur Begründung heißt es laut einem Bild-Artikel in dem Brief:
"... unter Berücksichtigung der stabilen Situation auf den Intensivstationen aktuell eine Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr zu erwarten sei. Auch sind die saisonalen Effekte mit zu berücksichtigen, die sich wahrscheinlich günstig auf Neuinfektionen auswirken werden. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Omikron-Variante deutlich mildere Verläufe verursacht."
Zu dieser Thematik könne laut dem nun bekanntgewordenen Papier aus dem Bundesjustizministerium des Weiteren die geplante "Hotspot-Regelung" eben nur dann zudem in Betracht gezogen werden, sollte eine kommende Virusvariante mit einer "signifikant höheren Pathogenität", also Ansteckungsgefahr, im Vergleich zur aktuellen Omikron-Variante auftreten. "Gedacht ist hierbei an einen 'Game Changer', der es erfordern würde, die aktuelle Bewertung der Pandemie zu revidieren", so die Formulierung in der Analyse.
Das Fazit des Papiers aus dem Bundesjustizministeriums sei daher eindeutig, so die Welt. Es zeige, dass die Voraussetzungen für einen "Hotspot" nur dann vorliegen können, wenn dementsprechende juristische Entscheidungsdefinitionen getroffen wurden, ausgehend vorheriger gerichtlicher Prüfungen, und nicht wie beschlossen, ausgehend der Verordnungen von "konkreten Gebietskörperschaften":
"Die Festlegung von Gebietskörperschaften als Hotspot durch einen Landtag dürfte voraussichtlich allenfalls in sehr begrenztem Umfang erfolgen."
Gesundheitsminister Lauterbach twitterte zu dieser Thematik am 12. März:
Gegenüber der Welt bemängelten laut dem Artikel Juristen nun, dass "der Gesetzesentwurf zahlreiche unklare und schwammige Formulierungen" beinhalte, was zu "Auslegungsproblemen" führen würde. Es hätte sich nach dem 9. März daher gezeigt, dass das Bundesjustizministerium und Karl Lauterbach im Nachhinein die Ergebnisse des gemeinsamen Entwurfes "unterschiedlich interpretieren" würden. Daher sei "eine gemeinsame Anwendung" nach Ansicht des Justizministeriums "ein Ding der Unmöglichkeit".
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