Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder gilt als langjähriger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der einstige SPD-Politiker ist unter anderem Aufsichtsratschef bei dem staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft. Vor allem seit der Eskalation des Ukraine-Konflikts und dem Beginn der russischen "militärischen Sonderoperation" in dem Nachbarland wächst der Druck auf den Altkanzler, den Posten aufzugeben und sich von Putin zu distanzieren. Er hatte zwar Ende vergangener Woche auf dem Online-Netzwerk LinkedIn Moskau öffentlich dazu aufgefordert, den Krieg und "das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine schnellstmöglich" zu beenden, doch Aufsichtsratschef bei Rosneft ist der 77-Jährige weiterhin.
Nun wollen sich laut übereinstimmenden Medienberichten mehrere seiner langjährigen Mitarbeiter von ihm trennen. Sie hätten um eine Versetzung gebeten. So habe etwa sein langjähriger Büroleiter und Redenschreiber, Albrecht Funk, laut Berichten des Nachrichtenportals The Pioneer, der Süddeutschen Zeitung (SZ) und der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung Schröder den Rücken gekehrt. Funk, ein Sozialdemokrat aus Hessen, der den Angaben zufolge seit rund 20 Jahren zu den engsten Vertrauten Schröders gehört, wolle zusammen mit weiteren drei Mitarbeitern des Büros des ehemaligen Kanzlers in Berlin seinen Hut nehmen. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bestätigte der 53-Jährige inzwischen die Berichte mit den Worten:
"Ich kann bestätigen, dass die vier Mitarbeiter in dem Büro gebeten haben, wieder in anderen Funktionen zu arbeiten."
Laut SZ habe sich Funk zu den Gründen seiner Bitte um eine Versetzung jedoch nicht äußern wollen. Das Blatt spekuliert indes, dass der Hintergrund "Meinungsverschiedenheiten über Schröders Verhalten mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine" sein könnten. Auch in dem Bericht bei The Pioneer heißt es, es habe Differenzen zwischen Funk und Schröder wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine gegeben.
Funk habe laut Berichten ein Rückkehrrecht in das Bundeskanzleramt. Ob das Kanzleramt dem Altkanzler nun neues Personal genehmigen wird, sei offen, heißt es weiter bei The Pioneer. Für Personalausgaben des Büros von Schröder sind im vergangenen Jahr 407.000 Euro aus der Staatskasse geflossen, wie aus einer Antwort des Kanzleramts auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. Die Ausgaben beträfen die Bezahlung der Mitarbeiter in Schröders Büro.
Aus der Union, aber auch aus der SPD wurden inzwischen Forderungen laut, dem Altkanzler wegen seines weiteren Engagements für russische Firmen die Amtsausstattung zu entziehen. Am Wochenende hatte bereits der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil von Schröder Konsequenzen gefordert. So schrieb er auf Facebook:
"Mit einem Aggressor, mit einem Kriegstreiber wie Putin macht man keine Geschäfte."
Als Bundeskanzler a. D. handele man "nie komplett privat". Klingbeil betonte: "Schon gar nicht in einer Situation wie der jetzigen."
Laut einem Bericht von SWR habe der Kreisverband Heidelberg offiziell einen Antrag auf den Ausschluss Gerhard Schröders aus der SPD gestellt. Als Grund sei demnach unter anderem angeführt worden, dass "die Rolle" des Altkanzlers als Aufsichtsrat "in einem kriegsrelevanten Staatsunternehmen nicht mit sozialdemokratischen Werten vereinbar ist." Ein SPD-Mitglied, das den Krieg eines Autokraten unterstütze, sei nicht mehr tragbar. Sören Michelsburg, der Kreisvorsitzender der SPD Heidelberg, erklärte in einer Mitteilung:
"Wir haben Schröder genug Zeit für einen sicheren Rückzug seiner Aktivitäten für russische Staatskonzerne gegeben, aber jetzt ist genug."
Auch außerhalb der Politik wird Schröder zunehmend unbeliebter und isoliert. Der Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund erwäge nach Informationen des TV-Senders Welt, Schröder die Ehrenmitgliedschaft zu entziehen. Das Schweizer Medienunternehmen Ringier legte sein Beratermandat auf Eis.
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