Ist Gerhard Schröder jetzt fällig? Eine Art Kampagne gegen den Altkanzler

Die Auseinandersetzung in der SPD um Gerhard Schröder hat ihre Entsprechung in Politik und Medien. Seit einigen Tagen verschärft sich deren Tonlage. Die Vorwürfe an die Adresse des Altkanzlers sind dabei alles andere als neu. Doch die Angriffe kommen zu einem kritischen Zeitpunkt.

Einer der ersten Politiker, die die aktuelle Serie von Kritik an Gerhard Schröder eröffneten, war der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) vor einer Woche. Inzwischen bleibt es aber nicht mehr bei bloß moralischer Entrüstung.

Entzug der Ausstattung?

Dieser Tage meldete die Münchener Abendzeitung, Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) solle sein Bundestagsbüro aufgeben. Der Steuerzahlerbund habe gefordert, bei der Ausstattung des 77-jährigen Altkanzlers "Konsequenzen" zu ziehen. Üblicherweise stehen einem ehemaligen Bundeskanzler ein Büro im Bundestag, Mitarbeiter sowie ein Dienstwagen samt Fahrer zu. Der Ko-Vorsitzende des "Bundes der Steuerzahler Deutschland" behauptete nun:

"Er lobbyiert für russische Wirtschaftsinteressen mit steuerfinanzierter deutscher Infrastruktur."

Und dann wurde der Vize-Präsident des Steuerzahlerbundes, Michael Jäger, konkreter:

"Ich appelliere an Herrn Schröder, auf sein staatlich bereitgestelltes Büro, Mitarbeiter und Dienstwagen zu verzichten."

Diese Forderung reiht sich ein in scharfe Angriffe gegen Schröder von der Union. FDP und besonders die Grünen stehen allerdings nicht zurück. Doch nicht nur in den Parteien, sondern ebenfalls bei den etablierten Medien scheint man sich auf Schröder eingeschossen zu haben. Von der FAZ bis zur taz, vom Deutschlandfunk bis zur Tagesschau – überall erscheinen bissige Kommentare oder man gibt der Kritik breiten Raum.

Ein Hauch von Landesverrat

So wärmte die FAZ in einem Kommentar wieder einmal das Bild von einer "Schröder-Putin-Connection" auf. Schröder sei für Putin "wichtig" und gar "Mittelpunkt eines russischen Einflussnetzes in Deutschland". Damit bewege sich Schröder nicht weit weg vom Landesverrat, wie ein anderer Kommentator in der FAZ nahelegte:

"Aber dafür gibt es eine Grenze. Sie verläuft dort, wo die Loyalität zum eigenen Land endet. Gerhard Schröder hat diese Grenze spätestens jetzt überschritten. In einer Auseinandersetzung, in der es um Krieg und Frieden in Europa geht, in der das autoritäre russische Regime nicht nur das Nachbarland Ukraine militärisch bedroht, sondern offen die Demokratien in Europa herausfordert, steht Schröder in Diensten des Aggressors."

Ebenso vermeldete die FAZ die Aussage der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die der Rheinischen Post kürzlich gesagt habe:

"Ich kenne auch niemanden in der Partei, der seine Auffassungen teilt."

Damit setzte sich Dreyer mehr als deutlich vom Altkanzler ab, der der Ukraine "Säbelrasseln" vorgeworfen hatte. Im Zusammenhang mit der Nominierung Schröders für den Gazprom-Aufsichtsrat empörte sich der stellvertretende Generalsekretär der CSU, Florian Hahn: Ein Altkanzler könne

"nicht gleichzeitig bei Gazprom und beim deutschen Staat abkassieren … Wer zum Steigbügelhalter für Putins Interessen verkümmert, schadet Deutschland und ist seines Amtes unwürdig."

Beschädigung der Diplomatie?

Und auch die taz verlangte in einem Kommentar zur Russlandpolitik der SPD: "Distanziert Euch von Schröder". Der Kommentator verstieg sich sogar zu folgender Aussage:

"Denn der Lobbyist Schröder, dem die SPD schon lange herzlich egal ist, beschädigt die Glaubwürdigkeit jeder auf Diplomatie und Ausgleich bedachten Politik."

So behauptete denn auch die Tagesschau rundheraus in einer Zwischenüberschrift:

"Schröder nimmt Partei für Russland",

konnte dafür allerdings keine anderen Belege anführen als Schröders Kritik an der Kiewer Führung und die bereits erwähnten Bemerkungen Stoibers.

Über die Anwürfe des SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert an die Adresse Schröders – angeblich fehlende Trennung von geschäftlichen Interessen und gesellschaftlicher Rolle – im Tagesspiegel wurde hier an anderer Stelle schon alles Nötige gesagt.

Es blieb dem Deutschlandfunk (dlf) vorbehalten, in einem Kommentar sämtliche gegen den früheren Kanzler gerichteten Vorwürfe zu bündeln: "Gerhard Schröder schadet Deutschland und der SPD".

Wieder einmal wird das Bild von der "Männerfreundschaft ohne Rücksicht auf Verluste", das auf eine Aussage des SPD-Ostexperten Gernot Erler zurückgehen soll, für das Verhältnis Schröders zu Putin bemüht.

Ausgerechnet Nawalny als Kronzeuge

In diesem Duktus geht es munter weiter. Schröder sei der "Laufbursche Putins", wie Alexei Nawalny gesagt habe, schreibt der Deutschlandfunk:

"Einer, der sich obendrein gut bezahlen lässt. Bestechlich sei er, von verdeckten Zahlungen an Schröder hat der Regimekritiker gesprochen."

Der dlf-Kommentar endet geradezu mit einem Rundumschlag:

"Der 77-Jährige hat völlig überzogen, er schadet dem Land, er schadet der SPD. Er lässt sich von Putin instrumentalisieren und fällt bei seinen Bemühungen um Frieden in der Ukraine dem Mann in den Rücken, der ihm als Generalsekretär einst gedient hat: Bundeskanzler Olaf Scholz."

Die SPD habe sich "schon lange von ihm abgewendet". Der Altkanzler habe "seine Reputation längst verspielt". Am Ende steht nur ein Verdikt: "Er ist und bleibt eben einer, der keine Rücksicht auf Verluste nimmt."

Damit klingt der Deutschlandfunk nicht anders als der ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba.  Der hatte den Altkanzler laut dpa auf eine Stufe mit dem Sprecher von Präsident Wladimir Putin gestellt: "Herrn Schröder zu kommentieren ist, als ob man den Sprecher von Herrn Putin kommentiert", so der Minister am Montag in Kiew nach seinem Treffen mit Außenministerin Annalena Baerbock. Schröder arbeite als deutscher Staatsbürger nicht nur für russische Unternehmen, sondern "de facto" für die russische Regierung. Da wäre sie wieder, die Verdächtigung: Landesverrat.

Selbstverständlich stehen alle hier zitierten Aussagen, die nur eine kleine Auswahl einer weit größeren Zahl von entsprechenden Wortmeldungen in Politik und Medien darstellen, für sich. Und sicherlich sind alle Politiker und Journalisten ganz unabhängig voneinander zu ihren Schlussfolgerungen über die Person Gerhard Schröder gekommen. Dass die Kernbotschaft immer die gleiche ist, müsste einen nicht beunruhigen, lebten wir in anderen Zeiten.

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(rt/dpa)