Innerhalb einer Woche sorgt der in Mannheim ansässige Verwaltungsgerichtshof mit seinen Urteilen bereits zum zweiten Mal für eine Niederlage der Baden-Württembergischen Landesregierung. Nach der 2G-Regelung an Hochschulen wird ab sofort auch die 2G-Regelung im Einzelhandel außer Kraft gesetzt. Somit ist es Ungeimpften nach Vorlage eines negativen Corona-Tests wieder möglich, alle Geschäfte des Einzelhandels zu betreten.
Geklagt hatte die Inhaberin eines Schreibwarengeschäfts im Ortenaukreis. Die Frau berief sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, nach dem "Schreibwarenläden nicht weniger wichtig als Blumengeschäfte", in welchen durch die Einstufung als Läden des täglichen Bedarfs die 3G-Regelung gelte, seien. Die Frau klagte weiter:
"Das Einfrieren der Alarmstufe II sei mit den Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes unvereinbar."
Im Vergleich zum Saarland, Bayern und Niedersachsen handelt es sich bei der Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg jedoch um einen Sonderfall. Der dortige Maßnahmenkatalog basiert auf einer Alarmstufenregelung, die an eine 7-Tage-Hospitalisierungs-Inzidenz gekoppelt ist. Die bis dato geltende Alarmstufe 2 ist die höchste und somit die mit den größten Grundrechtsbeschränkungen einhergehende Stufe. Diese war zuvor durch die neue Corona-Verordnung der Landesregierung "eingefroren" worden. Wie bereits mit Urteil vom 21. Januar 2022 stellten die Mannheimer Richter mit dem aktuellen Urteil erneut fest, dass das "Einfrieren der Alarmstufe II für den Einzelhandel rechtswidrig" ist.
Die Landesregierung von Ministerpräsident Manfred Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) räumte vor Gericht am 25. Januar 2022 ein, man habe die Regelung nach dem letzten Urteil des Verwaltungsgerichtshofs bereits endgültig aufgehoben. Nach dem zuletzt stattfindenden Rückgang der Hospitalisierungs-Inzidenz hätte das Bundesland jedoch auch ohne Aufforderung des Gerichts zur normalen Alarmstufe 1 zurückkehren müssen.
Eine Nachbesserung der Corona-Verordnungen der betroffenen Bundesländer gab es indes nicht. Die Bürger müssen beim Einkaufen im Einzelhandel nur noch die Pflicht zum Tragen einer Maske beachten.
Handelsverband fordert bundesweite Abschaffung der 2G-Regelung beim Einkauf
Grund für die plötzlich aufgeschreckten Gerichte und deren Urteile gegen die nicht mehr zu begründeten Grundrechtsbeschränkungen könnte auch der immer stärker werdende Druck seitens der Bevölkerung auf den Straßen und der Einzelhändler sein.
Der Handelsverband (HDE) fordert gar die bundesweite Abschaffung der 2G-Regelung im Einkauf. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth wies in der aktuellen Pressemitteilung erneut auf die massiven Umsatzeinbußen der Branche hin.
Er fordert die politischen Entscheidungsträger in Deutschland auf, den "erkennbaren Unsinn" nicht nachvollziehbarer Corona-Regelungen endlich zu beenden. Erfahrungen aus dem uneingeschränkt geöffneten Lebensmittelhandel würden verdeutlichen, dass ein Infektionshotspot im Handel ausgeblieben ist. Warum täglich 40 Millionen Kundenkontakte im Lebensmittelbereich ohne Auswirkungen auf die Inzidenz stattfinden könnten und die zehn Millionen des restlichen Einzelhandels in ihrer Gewerbeausführung eingeschränkt würden, sei logisch nicht begründbar.
"Das entbehrt jeder Grundlage und ist erkennbarer Unsinn. Die politischen Entscheidungsträger müssen zur Vernunft zurückkehren und 2G im Einzelhandel flächendeckend für alle Handelsbranchen abschaffen."
Genth bemängelte außerdem die unzulässige Abgabe hoheitlicher Aufgaben an die Privatwirtschaft, welche – statt Ordnungsämtern und Polizei – die 2G-Regeln kontrollieren sollen:
"Die Kontrollen der 2G-Regeln kosten nicht nur Geld, sondern überfordern das Personal. Immer wieder kommt es zu Pöbeleien, der Androhung von Gewalt oder sogar mehr."
Das Festhalten an fragwürdigen Regelungen gestaltet sich für die Landesregierungen täglich schwieriger. Auch wenn einige Politiker, wie zum Beispiel die Thüringische Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke) im Interview mit dem MDR fordern, an der 2G-Regelung im Einzelhandel festzuhalten, so ist es doch fraglich, ob durch das Aktivwerden der Verwaltungsgerichte diese Regelung aufrechterhalten bleibt oder ob es auch bald schon in Thüringen heißt:
"Gericht kippt die 2G-Regel."
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