Soldaten von Marine und Luftstreitkräften sind seit Mitte Dezember im Klinikum in Frankfurt (Oder) im Einsatz. Sie helfen in unterschiedlichen nicht-medizinischen Bereichen, von der Patienten-Speiseversorgung über den Patientenbegleitdienst oder Begleitdienst von Angehörigen im Zuge der Ausnahmebesuchsregelung in den Kreißsaal, oder auch beim Transport von Laborproben, wie auf der Webseite des Rhön-Klinikums zu lesen ist.
Einige der von den Soldaten übernommenen Dienste gehörten zum Aufgabenspektrum des Patientenbegleitdienstes, den die Geschäftsführung des Klinikums jedoch abgeschafft oder ausgliedert hat.
Die im MDAX gelistete Rhön-Klinikum AG verzeichnete allein in den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2021 Umsatzerlöse in Höhe von 1,03 Milliarden Euro. Die weiter positive Geschäftsentwicklung wurde vom Unternehmen erwartet, jedoch unter Vorbehalt mit Verweis auf die "verschärften regulatorischen Eingriffe des Gesetzgebers, wie beispielsweise die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV) und das Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG)".
Auf diese beruft sich auch der Geschäftsführer des Klinikums, Patrick Hilbrenner, bezüglich der Abschaffung des Patientenbegleitdienstes, den jetzt Soldaten übernehmen: "Der Zusammenhang ist, dass es seit dem 1.1.2020 das Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz gibt und dass die Krankenkassen uns vorgegeben haben, dass Pflege nur noch durch ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemacht werden darf", so Hilbrenner zum rbb.
Mit dem im Jahr 2018 verabschiedeten Gesetz sollten Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen unterstützt werden. Die Erklärung des Klinik-Chefs lässt offen, warum nun Soldaten, die keinerlei medizinische Ausbildung haben, diese Aufgaben übernehmen.
Aufgrund eines hohen Krankenstands im Klinikum hatte die Klinik-Leitung ein Amtshilfeersuchen beim Frankfurter Bürgermeister beantragt. Daraufhin forderten die Stadt Frankfurt und das brandenburgische Gesundheitsministerium den Einsatz an. Auf Anfrage teilte der Pressesprecher der Stadt RT DE mit, dass spontane Anfragen so nicht beantwortet werden können und die Stadt im Weiteren nicht involviert sei. So liege beispielsweise die Frage, ob eine Verlängerung des Einsatzes über den geplanten Zeitraum bis Ende Januar hinaus angestrebt wird, nicht bei Bürgermeister René Wilke (Die Linke). Geplant war die Aushilfe der Soldaten im Klinikum Frankfurt bis zum 27. Januar. Laut Landeskommando liegt ein Antrag auf Verlängerung vor und wird derzeit geprüft, wie es beim rbb heißt.
Hilbrenner hatte schon zu Beginn des Einsatzes der Luftstreitkräfte in seinem Haus erklärt: "Die Soldatinnen und Soldaten kompensieren die deutlich erhöhten krankheitsbedingten Mitarbeiterausfälle in der Pflege. Insgesamt fehlen aktuell 20 Prozent der Pflegekräfte aufgrund von Krankheit, coronabedingt und durch Quarantäne."
Ver.di-Gewerkschaftssekretär Frank Ploß verweist jedoch auf die Entscheidungen der Klinikleitung, an den nun von der Bundeswehr übernommenen Diensten zunächst Personal einzusparen. Diese Maßnahmen sei ein gewichtigerer Faktor als die gesetzlichen Vorgaben, erklärt Ploß dem rbb:
"Die ersten Maßnahmen, die er vollzogen hatte, waren Ausgliederungen. Warum muss man den Transport ausgliedern? Warum muss man der Krankenschwester Mehrarbeit dadurch wieder zumuten?"
Klar ist wohl, dass der Konzern auf diesem Weg massiv an Ausgaben einspart, da die Bundeswehr auf Erstattung amtshilfebedingter Auslagen bis Ende des Jahres verzichtet. Aushilfspersonal würde die Klinik geschätzt mehr als 50.000 Euro pro Monat kosten.
Die Amtshilfe Tausender Soldaten war in der COVID-19-Pandemie nicht ungewöhnlich, zum Jahreswechsel waren dadurch 17.500 Soldaten gebunden, und eine Reserve von 7.500 stand in Bereitschaft für Hilfeersuchen aus Landkreisen, Ländern und Kommunen. Laut der Wehrbeauftragten des Bundestages Eva Högl (SPD) führte dies bereits dazu, dass man in der "Bundeswehr mittlerweile wirklich zu kämpfen" habe, um die Amtshilfe zu kompensieren.
Im Falle des Rhön-Klinikums ist es zudem kein Landkreis, Land oder Kommune, der die aus dem Bund finanzierte Hilfe zukommt, sondern ein privater Krankenhausbetreiber. Seit Beginn des Jahres 2020 hält Asklepios, der größte Konzern auf dem Gesundheitsmarkt in Deutschland, 85 Prozent an der Rhön-Klinikum AG.
Etwa jedes dritte Krankenhaus in Deutschland gehört mittlerweile einem privaten Konzern. Zu Beginn dieses Jahres kündigte die Linksfraktion im Brandenburger Landtag eine Initiative an, um private Kliniken in öffentliche Trägerschaft zu bringen. Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter erklärte, dass Gewinne dafür genutzt werden sollten, die Situation in den Krankenhäusern zu verbessern und die Standorte zu sichern. Außerdem müsse die Entlohnung der Beschäftigten über einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag verbessert werden.
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