Der Landrat des brandenburgischen Kreises Märkisch-Oderland, Gernot Schmidt (SPD), hat sich dagegen ausgesprochen, Bußgelder gegen Bürger zu verhängen, die an Protesten gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen teilnehmen und dabei gegen Auflagen verstoßen, etwa keine Masken tragen oder ihren Protest gar nicht erst anmelden.
Keine Hilfs-Strafverfolger
So wird die Kreisverwaltung Märkisch-Oderland, der Schmidt vorsteht, keine Bußgelder mehr bei Verstößen gegen Corona-Auflagen ausstellen. Zwar hatte die Polizei des Landkreises entsprechende Unterstützung angefordert. Doch dazu wird es wohl nicht kommen, wie der SPD-Landrat dem rbb in der vergangenen Woche mitteilte.
Schmidt lehnt diese Art der "Strafverfolgung" ab, da sie nicht zum Aufgabenbereich seiner Verwaltung gehöre. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seines Landkreises würden sich vielmehr der Pandemiebekämpfung widmen und dürften nicht zu Strafverfolgern mutieren.
Denn dazu bestehe auch gar kein Anlass:
"Wir sind der Meinung, dass diese Maßnahmen gegenüber Bürgern, die ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen, überzogen sind."
Eine Frage der Verhältnismäßigkeit
Schmidt bekennt sich zwar dazu, dass der Staat auch "klare Kante" zeigen müsse. Allerdings müsse "die Verhältnismäßigkeit der Mittel" gewahrt bleiben. Das Versammlungsrecht sei in der Demokratie ein hohes Rechtsgut und dies gelte auch zu Pandemiezeiten.
Den Bürgern sei nicht zu vermitteln, dass man sich im freien öffentlichen Raum ohne Maske bewegen darf, jedoch während eines Spaziergangs mit politischem Charakter eine Maske tragen müsse, erklärte der Landrat.
Dass im Landkreis Märkisch-Oderland nun keine Bußgelder mehr verhängt werden, würde nicht bedeuten, dass er mit den Zielen der Kundgebungsteilnehmer übereinstimme. Der Landrat fordert vielmehr eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen der Demonstranten.
Polizei hat ein Problem mit unangemeldeten Protesten
Der rbb erkundigte sich nach eigenen Angaben bei anderen Brandenburger Landkreisen, die dem Sender bestätigten, dass tatsächlich die Polizei – und nicht die Landkreise – für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten auch bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz zuständig sei. Es spiele auch keine Rolle, ob die Versammlung vorher angemeldet worden sei oder nicht. Daher sei es tatsächlich nicht Aufgabe der Landkreise, Bußgelder zu verhängen.
Allerdings betrachtet man im Brandenburger Innenministerium die zahlreichen unangemeldeten Corona-Proteste tatsächlich als Problem. Gegenüber dem rbb räumte der Ministeriumssprecher Martin Burmeister ein, dass diese für die Polizei eine Herausforderung darstellten. Zwar bestünde Versammlungsfreiheit, doch wenn eine Anmeldung vorliege, könne die Polizei das Versammlungsrecht einfacher durchsetzen, hieß es mehrdeutig. Den Angaben des Ministeriumssprechers zufolge nehmen regelmäßig 20.000 bis 30.000 Menschen in Brandenburg an Protesten gegen die Corona-Maßnahmen teil.
Das Polizeipräsidium Brandenburg teilte zum Thema Versammlungsfreiheit laut rbb warnend mit, dass der Anfangsverdacht einer Straftat bestünde und eine Anzeige erstellt werde, falls eine Demonstration von ihrem "Organisator" nicht angemeldet sei. Inwiefern Spaziergänge auch zu Demonstrationen gerechnet würden, scheint der Sender nicht erfragt zu haben.
SPD-Landrat Schmidt außerdem skeptisch gegenüber Impfpflicht
Landrat Schmidt betrachtet zudem die laufende Debatte um eine gesetzliche allgemeine Impfpflicht kritisch. Weder sei ein entsprechendes Impfregister vorhanden, noch seien die Fragen des Datenschutzes geklärt. Als ein weiterer Faktor würde die Brandenburger Landespolitik – nach Schmidts Meinung – viele eigentlich Impfwillige abschrecken. Wenn überhaupt, komme eine Impfpflicht im Augenblick nur für einzelne Berufsgruppen in Frage, so Schmidt.
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