Ostbeauftragter Schneider: Wahrnehmung über ostdeutsche Bürger muss sich ändern

Der neue Ostbeauftragte Carsten Schneider möchte das Bewusstsein der Ostdeutschen anders wahrgenommen wissen. Die Herangehensweise seines Vorgängers Wanderwitz teile er nicht. Die Mehrheit der aktuellen Demonstrationsteilnehmer sei für ihn nicht extremistisch.

Carsten Schneider (SPD) ist der neue "Ostbeauftragte der Bundesregierung". Mit Beginn der neuen Legislaturperiode wurde die Umbenennung dieses Postens bekanntgegeben. Bisher lautete die Bezeichnung "Beauftragter für die neuen Bundesländer". Schneider teilte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) nun seine Sicht auf die Situation der Ostdeutschen mit. Bei der Vertretung von Ostdeutschen in Führungspositionen sehe er "Defizite". Ausgehend von dieser Realität würde er sich die Frage stellen: "Warum werden Ostdeutsche vielleicht mal Referatsleiter, aber nicht Unterabteilungsleiter oder Abteilungsleiter? Damit bin ich nicht zufrieden. Und das ist nur ein Beispiel."

Es gehe seiner Meinung nach bei der Gesamtbetrachtung aber nicht nur um die Bereiche Politik und Verwaltung, sondern auch "um die Medien, Hochschulen, Gerichte, Bundeswehr und die Wirtschaft". Die Führungspositionen wären meist von Westdeutschen besetzt, so Schneider gegenüber dem RND. Die Gründe dafür erkläre er sich so:

"Die Ostdeutschen sind aber ja nicht dümmer. Manchmal geht's auch um die Frage: Traue ich mir das zu? Da fehlt teilweise das Selbstbewusstsein, aber auch die Unterstützung."

Bezugnehmend auf die hohe Unzufriedenheit von Ostdeutschen hinsichtlich der aktuellen Vorgaben von Politikern an die Bürger könne er dementsprechende Gründe unter anderem "an den Mitgliederzahlen der Parteien ablesen". Laut dem RND gehe der Ostbeauftragte davon aus, dass "autoritäre politische Haltungen aus DDR-Zeiten vielfach bis heute weiterwirken". Gleichzeitig warne er aber vor generellen "Verallgemeinerungen":

"Politische Einstellungen und Haltungen werden oft vererbt und weitergegeben. Viele Menschen sind 1989 auf die Straße gegangen und haben damit die friedliche Revolution erst möglich gemacht. Aber die demokratische Praxis des Aushandelns von Kompromissen ist ihnen fremd geblieben".

Deshalb sehe er die Notwendigkeit, "dass besonders junge Menschen sich trauen, ihren Blick auf die Welt zu weiten". Die Herangehensweise seines Vorgängers Marco Wanderwitz (CDU) teile er nicht. Wanderwitz fiel zum Ende seiner Amtszeit medial mehrfach durch seine persönliche Wahrnehmung hinsichtlich vermeintlicher Befindlichkeiten Ostdeutscher und im speziellen der AfD-Wählern auf. So formulierte er im Mai 2021 – kurz vor den Bundestagswahlen – folgenden Satz: "Das wollen die Betroffenen nicht gerne hören, aber nichtsdestotrotz bin ich einer, der immer wieder betont, dass in den neuen Ländern die Neigung, eine rechtsradikale Partei zu wählen, offensichtlich leider ausgeprägter ist als in den alten Bundesländern."

Der MDR verkündete in einem Beitrag am 31. Mai 2021: "Nur ein geringer Teil der AfD-Wähler sei 'potenziell rückholbar', urteilt der Ostbeauftragte ein Stück weit resigniert. Man könne darum nur – Zitat – 'auf die nächste Generation' hoffen: 'Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind. Das ist traurig, aber leider wahr." Nun teilte der neue Beauftragte Schneider dem RND seine Sicht auf solche Äußerungen seines Vorgängers Wanderwitz mit: "Man muss zwar klar sagen, was ist ..."

"Es darf aber nicht der Eindruck entstehen, als würde man Leute aufgeben oder beleidigen. Das gilt auch für die aktuellen Demonstrationen. Für viele ist der Gang auf die Straße ihre zentrale politische Ausdrucksweise – eher noch als die Wahl. Rechtsextremisten versuchen, das zu instrumentalisieren. Gewalt und Drohungen dürfen dabei kein Mittel sein. Das muss jeder wissen. Aber die Mehrheit der einfachen Demonstrationsteilnehmer ist nicht extremistisch", so der Ostbeauftragte.

Zum Thema einer medial vermittelten Ausländerfeindlichkeit in Ostdeutschland sagte Schneider: "Mitte der 1990er Jahre hätte ein Pole in Erfurt Probleme gehabt. Damals galt er als Ausländer. Heute leben in Erfurt Tausende Polen, und das ist überhaupt kein Problem mehr. Das ist ein großer Fortschritt. Man muss auch mal das Positive sehen." Zudem betonte er, dass "die ostdeutsche Wirtschaft Zuwanderer brauche. Ostdeutschland müsse viele Arbeitsplätze neu besetzen", so die Einschätzung des Ostbeauftragten. Seine Resümee:

"Die Preußen haben sich seinerzeit die Hugenotten eingeladen. Ohne Zuwanderung wird es auch heute in Ostdeutschland nicht gehen. Das begreifen die Unternehmen zunehmend, weil sie schlagartig keine Arbeitskräfte mehr finden."

"Den Osten" gebe es im Übrigen gar nicht, so seine Klarstellung gegenüber dem RND. Und Schneider weiter: "Schon Leipzig und Dresden sind unterschiedlich. Ländliche Regionen sind wieder ganz anders. Holzschnittartige Bilder wie etwa jene, dass der Osten rechtsextrem sei, passen seiner Meinung nach nicht: "In meinem Wahlkreis haben 85 Prozent der Bürger demokratische Parteien gewählt". Die Westdeutschen fordere der SPD-Politiker laut RND daher auf, "offen zu sein und neugierig, nicht vorurteilsbeladen".

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