Das große Sterben der deutschen Schiffsbauer hat begonnen. Die MV-Werften haben am Montagmittag einen Insolvenzantrag gestellt. Bis zuletzt hatten Bund, Land und der Eigentümer, das asiatische Unternehmen Genting Hongkong, versucht, ein Rettungspaket zu verhandeln, wie die Welt berichtet. Von Jobverlust bedroht sind etwa 2.000 Mitarbeiter auf den Werften in Wismar, Stralsund und Rostock sowie Tausende Mitarbeiter bei Zulieferunternehmen und Handwerksbetrieben.
Schlecht bestellt ist es auch um die Bremerhavener Lloyd-Werft mit ihren rund 300 Mitarbeitern, die ebenfalls dem Touristik- und Glücksspielkonzern Genting Hongkong gehört. Auch sie meldete am Montag Insolvenz an. Die Folgen der Corona-Krise vor allem auch für das Kreuzfahrtgeschäft hatten die Werften seit 2020 in Bedrängnis gebracht.
Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, sagte dazu bestürzt:
"Dieser Montag ist ein schwarzer Tag für den Schiffbau in Deutschland. [...] Das Vertrauen auf allen Seiten scheint endgültig aufgebraucht."
Nun brauche man "starke Insolvenzverwalter", die gemeinsam mit der Gewerkschaft und den Betriebsräten dazu beitragen sollen, möglichst viele Arbeitsplätze zu retten – und den Beschäftigten die noch ausstehenden Löhne und Gehälter auszahlen. Bereits am Freitag hatte MV Werften ihren Angestellten angekündigt, die Auszahlung auf diese Woche verschieben zu müssen.
Bereits seit Weihnachten habe es "mehrere intensive Gespräche" mit Genting Hongkong gegeben, heißt es aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Diese blieben aus Sicht des Bundes letztlich erfolglos, weil der Konzern mit Sitz in der asiatischen Wirtschaftsmetropole nicht bereit gewesen sei, kurzfristig weitere 60 Millionen Euro beizusteuern. Claudia Müller von den Grünen, die neue maritime Koordinatorin der Bundesregierung, kommentierte das mit den Worten:
"Diesen Beitrag bleiben die Eigentümer aktuell leider schuldig. [...] Das ist sehr enttäuschend, denn die Leidtragenden sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Werftenstandort Mecklenburg-Vorpommern."
Man sei jedoch weiterhin bereit, teilte eine Regierungssprecherin am Montag mit, das größte Industrieunternehmen in Mecklenburg-Vorpommern zu stützen und "einen angemessenen Beitrag zu leisten, wenn die Eigentümerseite auch einen angemessenen Beitrag leistet". Danach sieht es aber momentan nicht aus, was auch bei der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern auf Unverständnis stößt. Manuela Schwesig (SPD) sagte am Montag gegenüber dem Nordkurier, es sei "völlig unverständlich, warum der Genting-Konzern, hinter dem bekanntlich auch ein finanzstarker Eigentümer steht, nicht bereit" gewesen sei, das von der Bundesregierung geforderte "deutliche Bekenntnis" zu seinen Werften abzulegen.
Beim Amtsgericht Schwerin gingen derweil am Dienstag acht Insolvenzanträge ein, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. Sie betreffen die MV Werften Holdings Limited, die MV Werften Wismar GmbH, die MV Werften Wismar Property GmbH, die MV Werften Rostock GmbH, die MV Werften Rostock Property GmbH, die MV Werften Stralsund GmbH, die MV Werften Fertigmodule GmbH (Wismar) und die Fertigmodule Property GmbH, wie ein Gerichtssprecher auf Anfrage der dpa am Dienstag sagte.
Doch auch in Bremerhaven stirbt die Hoffnung zuletzt. Dort suchen die Bremer Landespolitik und die Gewerkschaft IG Metall nach Wegen für einen Fortbestand des Schiffbaubetriebs. Die IG-Metall-Bevollmächtigte Doreen Arnold sagt dazu:
"Es ist wichtig, dass wir den Werftenstandort erhalten."
Dies sei für die etwa 300 Beschäftigten wie für Bremerhaven insgesamt wichtig. Die Bremer Senatorinnen Kristina Vogt und Claudia Schilling wollen am Dienstag auch mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Per Hendrik Heerma über die Lage sprechen. Vogt sagte dem Radio-Bremen-Magazin buten und binnen, sie wolle mit dem Insolvenzverwalter nach einem regionalen Käufer für die Werft suchen. Die Bremerhavener Stahl- und Schiffbaugruppe Rönner hatte schon 2021 Interesse an Lloyd bekundet, Verhandlungen mit Genting brachten aber bislang kein Ergebnis.
Mehr zum Thema - 2021 und der Niedergang der deutschen Autoindustrie: Neuzulassungen so gering wie zuletzt 1985