In der Berliner Ampel-Koalition soll es mit Jahresbeginn zu einer Neujustierung der Zuständigkeiten und Kompetenzen gekommen sein. Betroffen seien besonders die Minister von Bündnis 90/Die Grünen, die in ihren Verantwortungsbereichen scheinbar teils erhebliche Einschnitte hinnehmen mussten, wie die Bild-Zeitung berichtet.
Rückschläge für Habeck
Scholz sei dabei nach der bewährten "Merkel-Masche" vorgegangen, ehrgeizige Partner vom Start weg auszubremsen. Merkel hatte beispielsweise im Jahr 2010 die Pläne für eine vom liberalen Koalitionspartner FDP geplante Steuerreform gleich zu Anfang der schwarz-gelben Regierungszeit abgeblockt.
Nach demselben Prinzip sei Bundeskanzler Scholz nun mit seinem Vizekanzler, Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck verfahren: Auf EU-Ebene habe sich Scholz dafür eingesetzt, dass auch Atomkraft, wie von Frankreich gewünscht, als nachhaltige Energiequelle eingestuft werden soll – genauso wie Erdgas. Beides lehnen die Grünen ab.
Baerbock verliert zentrale Felder der Außenpolitik
Neben der Umwelt- und Energiepolitik zog das Kanzleramt auch wesentliche Bereiche der Außenpolitik an sich: Hier machte der Bundeskanzler offenkundig von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch. Scholz habe etwa einen Gesprächstermin mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vereinbaren lassen, um nach neuen Ansätzen zur Lösung des Ukraine-Konflikts zu suchen und über gaspolitische Fragen zu beraten. Diese zentralen außenpolitischen Themenfelder scheinen der grünen Außenministerin Annalena Baerbock bis auf Weiteres entzogen zu sein.
Bereits zuvor hatte die Bild berichtet, Scholz habe "Russland zur Chefsache" gemacht. Nicht nur der Eingriff in die umweltpolitische Kompetenz Habecks, sondern dass der Kanzler die Russland-Politik an sich gezogen habe, muss auf Widerstand der Grünen stoßen, die "explizit kritischer gegenüber Moskau sind als Scholz und vor allem als dessen traditionell Moskau-freundliche SPD", wie Bild meint.
Es heißt, Scholz strebe einen "qualifizierten Neuanfang" in den Beziehungen zwischen Berlin und Moskau an. Nach Informationen des Boulevardblatts sei ein Treffen von Putin und Scholz noch für den Januar 2022 in Vorbereitung.
FDP unterstützt Grüne
Unterstützung erhielten die Grünen nun von der FDP, wie die Springer-Zeitung am selben Tag mitteilt. So wendet etwa der FDP-Außenpolitiker Frank Müller-Rosentritt ein:
"Einen Neunanfang können wir ... nur dann erreichen, wenn die russischen Truppen und Söldner die Krim und die Ostukraine verlassen. Wir brauchen einen klaren, gemeinsamen Kurs in der EU, der das betont."
Die mehrere Jahrhunderte umfassende deutsch-russische Geschichte sei an einem "Tiefpunkt" angelangt, was nicht an Deutschland liege, "sondern an aggressiven Aktionen Putins gegenüber der Ukraine".
Erster Koalitionsstreit?
Die Zeitung zitiert am 4. Januar zudem einen anonym bleibenden Spitzen-Politiker der Grünen, der eingeräumt habe, "formell" sei das Vorgehen von Scholz schwerlich zu kritisieren: "Er ist Kanzler, EU und Putin sind seine Ebene." Aber das Verhalten des Kanzlers sei "ein unfreundlicher Akt – wir können das eigentlich nicht dulden".
Es bleibt abzuwarten, ob es sich nur um eine pragmatische Neuverteilung der Kompetenzen zwischen den Ministerien und dem Kanzleramt handelt oder ob sich bereits ein erster Streit innerhalb der Berliner "Ampel" anbahnt.
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