In einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit sprach Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) über Themen wie die Freiheit, die Impfpflicht gegen COVID-19 und den Rechtsstaat unter den Bedingungen der Pandemie-Bekämpfung.
Der Minister äußerte sich abwartend, was den Ausgang der Diskussionen angeht. Dem Parlament müsse "jenseits der Fraktionsbindung" wie bei anderen medizinethischen Fragen "der Vortritt" gelassen werden, weshalb man das "bewährte Gruppenantragsverfahren" gewählt habe.
Allerdings machte Buschmann eine bemerkenswerte Einschränkung mit Blick auf die Impfpflicht, hinter die sowohl die Koalition als auch die öffentliche Debatte so leicht nicht zurück können:
"Wenn es im Februar/März belastbare Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Impfpflicht eine deutliche Vergrößerung des Freiheitsspielraums für uns alle bringt, dann spricht viel dafür. Wenn das Impfen hingegen absehbar nur für zwei, drei Monate helfen sollte, aber ansonsten im Grunde alles bleibt, wie es ist, dann spricht das eher gegen eine Impfpflicht."
Ablehnung der Impfpflicht legitim
Auch wenn Buschmann um eine eher vermittelnde Position innerhalb der FDP-Fraktion bemüht zu sein scheint und sich von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki distanzierte, der von "Rache und Vergeltung" gesprochen hatte, die Befürworter der Impfpflicht antreiben würden, so stellte Buschmann doch klar:
"Es ist eine absolut legitime Position, die Impfpflicht abzulehnen. Ich wehre mich dagegen, alle Menschen mit dieser Meinung pauschal an den Rand zu drängen."
Gleichzeitig äußerte der Justizminister Verständnis für diejenigen, die nach vorheriger Ablehnung nun eine Impfpflicht nicht mehr ausschließen wollen:
"Wenn sich die Lage fundamental ändert, muss man Positionen auch mal korrigieren können. Alles andere wäre falscher Dogmatismus."
Aber diese Aussage ließe sich ja auch andersherum interpretieren, wenn sich die Situation im Februar/März 2022 wieder verändert darstellen sollte.
Buschmann hält der neuen Bundesregierung zugute, im Winter 2021/22 keinen neuen "Lockdown" verhängt zu haben. Unter einer Regierung Merkel, wäre sie noch im Amt, wäre ein dreiwöchiger Lockdown verhängt worden, der dann drei Monate gedauert hätte, so der Politiker.
Verständnis für Proteste
Der Liberale äußert auch Verständnis für Demonstrationen und Proteste gegen die staatliche Corona-Politik:
"Nur weil jemand gegen Corona-Maßnahmen auf die Straße geht, macht ihn das noch nicht zu einem Radikalen. Es muss möglich sein, dass ein Teil der Bevölkerung Unmut bekundet, auch laut und deutlich."
Die Debatten müssten so geführt werden, dass die widerstreitenden Lager noch miteinander sprechen könnten. Jedoch würde sich ein kleiner Teil der Bevölkerung immer weiter radikalisieren, Morddrohungen aussprechen und Feindeslisten anlegen:
"Das hat nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun. Im Gegenteil: Hier sollen andere Meinungen mundtot gemacht werden. Das sind Straftaten, und dagegen muss vorgegangen werden."
Corona-Notstand nur eine Vorstufe?
Die Sorge, dass Staat und Politik aus dem "Krisenbekämpfungs-Notstand gar nicht wieder herauskommen", kann Buschmann "gut nachvollziehen". Das Notwendige müsse getan werden, allerdings dürfe es nicht "zu einer neuen Normalität werden".
Buschmann lehnt ein "neues Zeitalter im Umgang mit Recht und Regulierung" ab. "Das wäre ein schwerer Fehler." Das dauerhafte Operieren in einem "Krisenmodus", "der das Individuum beiseiteschiebt", sei nicht statthaft.
Auf die Frage der Zeit, ob die Pandemiebekämpfung ein "Warmlaufen zur Bekämpfung des Klimawandels" sein könne, was viele befürchteten, und dass sich die "Interpretation der Freiheit" momentan ändern würde, antwortete Buschmann, dass die Begriffe Freiheit und Würde nicht "vom Individuum entkoppelt" und "auf ein Kollektiv übertragen werden" werden dürften.
Die Pandemie habe bei ihm zu der Erkenntnis geführt, dass es zwar die durch das Virus verursachte Krankheit gebe, dass aber auch der "Mangel an Freiheit" – "auf eine andere Art" – krank machen könne. Rechtsstaatliche Institutionen seien "zentral" für den "Erhalt der Freiheit". Dies hätten Entscheidungen der unabhängigen Gerichte gezeigt.
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