Die Ampel-Parteien sind sich uneinig darüber, ob die Europäische Union Gaskraftwerke als grüne Investitionen einstufen sollte. Im Interview mit RT DE hat sich der Ökonom und Professor an der Universität Berlin Wolfram Elsner den Verlauf dieser Diskussion durch die geostrategische Orientierung der Parteien erklärt:
"Die ganze Frage der Energie ist ja hochgradig geostrategisch."
Der Wirtschaftswissenschaftler betonte, die Haltung gegenüber dem Gas als Energiequelle sei von den jeweiligen Interessen der Parteien abhängig. Elsner wörtlich:
"Die Frage mit dem grünen Gas ist jetzt die Frage, wie die geostrategischen Interessen der Ampel-Parteien liegen."
Unterdessen wird Deutschland nach der Einschätzung des Fachmanns Gas als "Übergangsenergie" für mindestens 15 weitere Jahre benötigen. Die Investition in Nord Stream 2 habe sich demnach gelohnt. Die SPD als stärkste Partei im Bundestag orientiert sich dem Professor zufolge auf die langfristigen Interessen der deutschen Wirtschaft. Und die benötige ausgerechnet diese Übergangsenergie:
"Deutschland braucht definitiv Gas als Übergang für mindestens noch 15, wahrscheinlich 20 Jahre, weil der Ausbau der eigentlich erneubaren Solar-, Wind- und Wasserenergien eben nicht so schnell geht, wie man sich das erhofft hat."
Die Grünen bezeichnete Elsner als "fünfte Kolonne Washingtons". Die Partei verhalte sich transatlantisch und setze sich dafür ein, dass Deutschland sich auf das Fracking-Gas aus den USA umorientiere.
Bezüglich der Energiediskussion auf EU-Ebene verwies der Professor darauf, dass Frankreich im Energiewandel auf Atomkraftwerke setze, während Deutschland seinerseits auf Gas. Diese Situation sei eine Vereinbarung zwischen Deutschland und Frankreich in Brüssel:
"Die einen kriegen ihre Atomkraft als 'grün'."
"Im Gegenzug dazu wird Deutschland wahrscheinlich das Ticket bekommen, dass auch das Gas auf absehbare Zeit als grün akzeptiert wird."
Zu einem ähnlichen Kompromiss müssten die Koalitionspartner in der deutschen Regierung kommen, meint der Fachmann. Dies sei seiner Meinung nach aber nicht so einfach:
"Die Grünen würden ihre Existenz gefährden, wenn sie das so offen mitspielen würden."
Aber für die nächsten knapp drei Jahre bis zum nächsten Wahlkampf würden die Koalitionsparteien unter einem sogenannten "Waffenstillstand" auch in Bezug auf die Frage der Gasversorgung koexistieren, resümiert Elsner.
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