Angesichts der im Herbst nun wieder massiv ansteigenden Anzahl an positiv auf SARS-CoV-2 getesteten Menschen herrscht in der Politik wieder eine aufgeregte Debatte darüber, mit welchen Maßnahmen sich das Geschehen am ehesten kontrollieren lasse. Impfquote und Maskenpflicht scheinen sich im Vergleich zum vergangenen Jahr nicht positiv auf die erneut festzustellende dynamische Entwicklung ausgewirkt zu haben. Bayern rief zuletzt sogar den Katastrophenfall aus.
Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn forderte vor den anstehenden Bund-Länder-Beratungen in Berlin nun ein schnelles Gegensteuern. Es müsse jetzt alles getan werden, "um diese Dynamik zu brechen".
"Sonst wird es für das ganze Land ein bitterer Dezember."
Parallel dazu appellierte das Robert Koch-Institut (RKI) an die Bürger, rief zu weniger Kontakten auf und rät zu Einschränkungen besonders bei Großveranstaltungen. RKI-Präsident Lothar Wieler warnte: "Es ist fünf nach zwölf." In etlichen Landkreisen gebe es so viele Neuinfektionen, dass Kliniken und besonders die Intensivstationen an der Kapazitätsgrenze seien. Dies werde ohne zusätzliche Maßnahmen überall eintreten.
"Die vierte Welle trifft uns jetzt mit voller Wucht."
Für eine stärkere Eindämmung, teilte Wieler mit, solle unter anderem bei Großveranstaltungen die Personenzahl reduziert oder ein Verbot erwogen werden. Eine konkrete Zahl als Obergrenze nannte er nicht. "Wir wissen, dass insbesondere in Innenräumen sogenannte Superspreader-Events stattfinden." Man solle auch erwägen, in besonders belasteten Regionen Bars oder Clubs zu schließen.
Spahn wiederum wartete derweil mit einer neuen Maßnahmen-Variante zur Eindämmung des Geschehens auf. Der CDU-Politiker sprach sich dafür aus, für öffentliche Veranstaltungen das sogenannte Prinzip "2G plus" einzuführen – also Zugang nur für Geimpfte und Genesene, die zusätzlich aber noch einen aktuellen Test vorweisen müssen.
Die bereits flächendeckend eingeführte 3G-Regel mit Zugang ausschließlich für Geimpfte, Genesene und Getestete werde allein nicht mehr ausreichen. Dies sei außerdem zu oft nicht kontrolliert worden, sodass eigentlich "0G" gegolten habe. Nachdem die Impfkampagnen der vergangenen Monate nicht den erhofften Impfquoten-Erfolg zeigten, kündigte der Minister nun zusätzliche finanzielle Anreize für die Ärzteschaft an, die demzufolge das Tempo der Impfungen beschleunigen helfen sollen. Mit einer geplanten Verordnung sollen Ärzte statt der bisherigen 20 Euro ab Dienstag 28 Euro als Vergütung erhalten, außerdem einen neuen Wochenendzuschlag von 8 Euro.
Spahn verwies darauf, dass die Impfungen schon anziehen, wie es bei der Deutschen Presse-Agentur heißt. In dieser Woche seien mehr als 4,3 Millionen Dosen bestellt worden, was eine Vervierfachung verglichen mit den vergangenen Wochen sei. Neben den Praxen gebe es wieder mehr als 170 Impfstellen und rund 600 mobile Teams.
Erforderlich seien jetzt auch wieder deutlich mehr Tests. Nachdem Ungeimpfte seit dem 11. Oktober selbst für die Kosten eines Schnelltests aufkommen müssen, sollen die Gratis-Schnelltests durch geschultes Personal samt Bescheinigung nun jedoch wieder für alle eingeführt werden. Eine Verordnung dafür solle ab diesem Samstag gelten, sodass das Testen aber Anfang kommender Woche wieder für alle kostenfrei sei. In Pflegeheimen sei dringend eine Testpflicht für Personal und Besuche nötig – dies sei aktuell auch sinnvoller als eine Impfpflicht fürs Personal, da sich ja Geimpfte ebenfalls testen lassen sollten. Am Arbeitsplatz solle zudem ebenfalls die 3G-Regel eingeführt werden.
Während Beobachter aufgrund der zunehmenden Einschränkungen für Nichtgeimpfte längst von einer faktischen Impfpflicht durch die Hintertür sprechen, wandte sich Spahn nun erneut gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht, denn:
"Das würde unser Land zerreißen."
Im Spiegel-Interview schlich sich in diesem Zusammenhang die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht in die Fantasie Spahns ein, was dessen Ablehnung gegen eine offizielle Impfpflicht nur zu fördern schien.
"Ich habe das Bild schon vor Augen, wie wir Sahra Wagenknecht dann mit der Landespolizei zum Impfen schleppen. Das ist absurd, eine allgemeine Impfpflicht wäre nicht durchzusetzen."
Derweil wird in Sachen Krisenmanagement auch wieder und zunehmend auf die Bundeswehr zurückgegriffen. Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums erklärte warum: "Wir sehen einen ansteigenden Bedarf." Derzeit seien 650 Soldatinnen und Soldaten dafür im Einsatz, davon 570 in der Kontaktnachverfolgung, 48 in Krankenhäusern und 17 in der Impfkampagne.
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(rt de/reuters)