14 Tage nach der Verabreichung der zweiten Impfdosis gilt man bislang als vollständig geimpft. Bei dem Vakzin von Johnson & Johnson genügt bislang eine einzelne Dosis. Das dazu ausgestellte Zertifikat, womit man im Rahmen der sogenannten 2G- oder 3G-Regeln seinen Geimpften-Status nachweisen kann, hat derzeit eine Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) brachte jedoch ins Gespräch, dass man wegen der nachlassenden Wirkung der Impfstoffe auch eine Reduzierung des Geimpften-Status überprüfen soll.
Der CSU-Chef fordert etwa die Ständige Impfkommission (STIKO) auf, sich mit der Dauer der Schutzwirkung des Vakzins zu beschäftigen. So sagte Söder am Dienstag bei der Pressekonferenz in München nach der Sitzung des bayerischen Kabinetts:
"Man sollte sich überlegen, ob nach neun Monaten fast automatisch ein Geimpften-Status nicht mehr gelten kann."
Es müsse geprüft werden, ob der 2G-Status dann noch erhalten werden kann, so der 54-Jährige weiter. Er forderte die STIKO auf, dazu eine Meinung zu entwickeln. In Nachbarländern wie Österreich werde laut Söder nach dieser Praxis verfahren.
Unmittelbar vor Söders Forderung hatte der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) für sogenannte "Booster" geworben. Die Menschen in Deutschland sollen sich sechs Monate nach ihrem letzten Corona-Vakzin erneut eine Auffrischungsimpfung verabreichen lassen. Bereits vor wenigen Tagen hatten sich auch der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sowie die Ärzteverbände und Gesundheitsminister der Bundesländer dafür ausgesprochen, dass jeder eine Auffrischungsimpfung angeboten bekommen soll. Vor allem Senioren, medizinisches Personal und Menschen mit Vorerkrankungen sollen nach sechs Monaten einen sogenannten "Booster" erhalten.
Seit Wochen wird über die dritte Impfung debattiert. Stets werden auch Israel und die dortige "Booster"-Kampagne als Beispiel angeführt. Bereits Ende Juli hatte Israel alle über 60-Jährigen und Risikopatienten zur dritten Impfung aufgerufen. Seit September können sich alle ab zwölf Jahren den "Booster" verabreichen lassen, sofern ihre zweite Impfung länger als fünf Monate zurückliegt. Inzwischen seien in dem Mittelmeerland rund 80 Prozent der älteren Menschen – zwischen 60 bis 90 Jahren – dreifach geimpft. Insgesamt sollen es rund 43 Prozent sein. Trotz steil ansteigender Zahl neuer positiver Corona-Fälle hatte Israel keinen Lockdown verhängt.
Jedoch wurde im Land die Zweifach-Impfung, bei der der zweite Termin bereits länger als sechs Monate zurückliegt, nicht mehr als Nachweis anerkannt. Erst mit einer dritten Dosis wurde der offiziell verordnete sogenannte "Grüne Pass", mit dem man in Restaurants oder Fitnessstudios oder Kino Zutritt bekommt, erneut gültig.
Doch nicht alle in Deutschland sehen in dem "Booster" die Lösung gegen die vierte Corona-Welle, die laut Spahn "mit voller Wucht da" sei. Virologe Hendrik Streeck warnte vor wenigen Tagen in einem Interview, dass sich die Hoffnung auf die Auffrischungsimpfung als Lösung "trügerisch" erweisen könnte. Zwar könne der "Booster" den Anteil an Impfdurchbrüchen reduzieren, wie Studien aus Israel gezeigt hätten. Der Virologe fügte jedoch gegenüber RedaktionsNetzwerk Deutschland hinzu:
"Meine Sorge aber ist, dass nicht der 'Booster' für das Brechen der dritten Welle in Israel verantwortlich war."
Er sehe einen "bisher unbekannten Faktor", der die Welle in Israel gebrochen habe. Laut Streeck sei der "Booster" bei älteren Menschen notwendig und würde auch laut Studien aus Israel wirken und schwere Verläufe verhindern. Doch der Virologe sprach sich gegen eine schnelle Drittimpfung für alle aus.
Laut Robert Koch-Institut gelten bislang rund 55,9 Millionen Menschen als vollständig geimpft. Das seien 67,2 Prozent der Gesamtbevölkerung, bei den Erwachsenen sind es 77,7 Prozent. Derweil steigt demnach in Deutschland die Nachfrage nach dem dritten Vakzin. Bislang wurden in Deutschland rund drei Millionen "Booster" verabreicht.
Mehr zum Thema - Mehr Druck auf Ungeimpfte: Debatte um flächendeckende "2G-Regeln" überschlägt sich