Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Partei Die Linke erkennt in der Corona-Krise eine "emotionale Widerstandssituation" bei Teilen der Bevölkerung seines Freistaats. Dies sei für ihn eine neue Erfahrung, wie er am Sonntag im Interview der Woche des Deutschlandfunks verriet.
Traditionell sei die Zustimmung zu Impfungen in Ostdeutschland höher als in Westdeutschland. Die generelle Skepsis der Menschen habe sich in der Corona-Krise "mit den wildesten Verschwörungstheorien" verbunden, "von QAnon bis zu sonst irgendwas", so der Ministerpräsident.
Rückblickend sagt er:
"Das ging los mit Pegida. Dann ging es um Flüchtlinge und die Frage von Fremdenfeindlichkeit."
Im Laufe der Corona-Krise hätten dann viele Menschen, die vorher etwa eine verpflichtende Masernimpfung gefordert hätten, offenbar umgedacht:
"Wenn ich heute das Wort Impfzwang im Zusammenhang mit Corona in den Mund nehmen würde, wäre der Aufschrei riesengroß."
Leute, die ihm "gut bekannt" seien, hätten ihm gesagt: "Wer sich impfen lässt, ist ein Jahr später tot". Dabei handele es sich nicht um Fremde oder Menschen, die schon vorher zu "Verschwörungsglauben" geneigt hätten:
"Auf einmal sind sie da und alltäglich fassbar. Ein Drittel der Bevölkerung ist auf einmal in so einem Bereich unterwegs."
Solange diese Menschen nicht selbst oder in ihrer Familie erlebten, welche Bedrohung von COVID-19 ausgehe, "kann ich als Politiker sagen, was ich will". Ramelow bevorzuge das persönliche Gespräch mit diesen Leuten. Wenn er registriert, dass er auf taube Ohren stoße, rate er seinem Gegenüber, sich beim eigenen Arzt zu informieren.
Unpassend sei dagegen, wenn "permanent die gleichen Talkshows" zu Maßnahmen wie Schulschließungen liefen – "ohne danach zu fragen, wie es eigentlich den Kindern dabei geht oder wie das mit der Bildung dann funktioniert und wie soziale Bildung, also das Miteinander auf einmal unter die Räder kommt".
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